Es beginnt alles mit dem Roman A Study in Scarlet, unzählig mal gelesen und immer wieder ein Klassiker und der Beginn vieler weiterer Abenteuer, seien es nun Kurzgeschichten von Sir Arthur Conan Doyle oder Pastiches. Jedoch steht A Study in Scarlet immer für den Anfang, über die Begegnung von Sherlock Holmes und Dr. John Watson. Funktioniert dieser traditionelle Roman auch in einem “Graphic Novel” mit einer Erzählebene und begleitenden Bildern (Panels)?

Rahmenbedingungen des Graphic Novels

Als Watson und Holmes das erste Mal aufeinandertreffen (Copyright Innovation Books)

Im Jahr 1989 erschien in dem Verlag Innovation Books ein Graphic Novel über den Klassiker A Study in Scarlet. Auf dem Cover sieht man den ikonischen Sherlock Holmes, mit Inverness Cape und Deerstalker. Ein sichtbares Zeichen, dass es sich nicht um den “traditionellen” Sherlock Holmes handelt, sondern um einen “typischen” Sherlock Holmes mit Lupe, Pfeife und dem Deerstalker. Im Hintergrund sieht man die typische Szene mit “RACHE”, dem Opfer Drebber und einem ermittelnden Holmes.

Schlägt man die ersten Seiten des Graphic Novels auf, so beginnt nicht die Handlung von A Study in Scarlet sondern eine kurze Einleitung mit der Überschrift: Elementary, my dear readers! Dieser gibt die nötigen Hintergrundgeschichten des Romans, dem Tod von Holmes und die Wiedergeburt als einen neuen Sherlock Holmes in Pastiches, Film und natürlich wie hier in Comics. Tolle Einleitung, die die notwendigen Informationen für Einsteiger in die Welt von Holmes bietet.

Neben dieser Einleitung bietet der Graphic Novel außerdem:

A Study in Scarlet als Graphic Novel

Auszüge aus dem Graphic Novel (Copyright Innovation Books)

Das Graphic Novel A Study in Scarlet beginnt mit der Geschichte rund um John Watson. Seinen Einsatz im Militär, seine medizinische Karriere und das Ankommen im Strand in London. Kurz und bündig in einem großen Panel werden die Ereignisse übergreifend dargestellt, unterstützt durch einen Watson als “Ich-Erzähler”. Man schaut förmlich in den Kopf von Watson und sieht seine Geschichte, bis er durch Stamford unterbrochen wird. Der Rest ist hinreichend bekannt: Die beiden gehen zu einem chemischen Labor, treffen Sherlock Holmes und ziehen zusammen in die Baker Street. In den ersten Tagen in der Baker Street reflektiert Watson seine Ereignisse erneut und stellt fest:

I had begun to think Holmes was as friendless as myself.

(Ich habe begonnen zu denken, dass Holmes genauso “freundlos” ist wie ich selbst.)

Also passen die beiden perfekt zusammen, wie die weiteren Abenteuer zeigen werden.

Der Konflikt zwischen den beiden Inspektors wird ebenfalls mit viel Witz in der Graphic Novel dargestellt. Es heißt Lestrade vs. Tobias Gregson! Greyson stichelt förmlich gegen Lestrade und sagt gegenüber Holmes:

“Well, we are brain thinkers you and I, Mr. Holmes! Not like that fool Lestrade”

(Also du und ich, wir sind Denker! Nicht wie der Trottel Lestrade)

Klassische Szenen vom Einzug Watsons in 221B (Copyright Innovation Books)

Stil und Unterschiede zum klassischen Roman

Der Stil des Graphic Novels passt für meine Verhältnisse sehr gut zu Sherlock Holmes, da es eine Art Kohlezeichnungen sind mit weichen Linien und verwaschenen Konturen. Da ich nun nicht der Comic-Experte bin, sind dies nur meine subjektiven Einschätzungen. Durch die Schwarz/Weiß-Darstellung bekommen einige Szenen zusätzlich dramatische Elemente. Beispiele sind da der Fund der Leiche oder die historische Darstellung aus den USA am Ende des Romans.

Durch das Graphic Novel findet ein häufiger Einklang zwischen einer Erzählung und der dargestellten Bilder statt. So kann Watson die Szenerie erklären und gleichzeitig werden Bilder gezeigt. Ein großer Unterschied zu einem Buch, wo man nur das geschriebene hat und sich seine Welt selber erschaffen muss. Hier ist die Welt bereits durch die Künstler erschaffen worden. Eine mögliche Interpretation des Romans.

Am Ende des Graphic Novels schließt Sherlock Holmes mit einem typischen Satz ab:

Watson: “Holmes! You positively amaze me!”

Sherlock Holmes: “Actually, the case was most elementary.”

Zum Glück kein “Elementary, my dear Watson”…

Aufgrund der Länge des Romans und der Länge von rund 30 Seiten (wenn man die zusätzlichen Texte abzieht), ist es zwangsweise logisch, dass es Kürzungen gibt. Nahezu alle Einschubkapitel aus Amerika sind nicht vorhanden. Der amerikanische Bezug  nur angerissen. Dies kann als Kritikpunkt gewertet werden, je nach Kenntnisstand des klassischen Romans. Wer den Roman kennt, hat keine Schwierigkeiten. Wer den Roman nicht kennt, verliert einiges an Logik und Erklärungen.

Erklärende Aufsätze über Sherlock Holmes und ein zusätzlicher Graphic Novel

Ein großer Pluspunkt sind die zusätzlichen Texte, die die Welt von Sherlock Holmes näher bringen. Sei es nun der tragische Tod des Detektivs, seine Auferstehung oder den Eintritt in die Welt of Sherlockiana, jener Wissenschaft um Sherlock Holmes.

So geht der Text Scenes of Sherlockiana auf dieses Phänomen ein, welches auch dieser Blog verfolgt: Das Beschäftigen mit der Welt von Sherlock Holmes in einer Art pseudowissenschaftlicher Form. Der Text reißt Stichwörter und Bücher wie die Biografie von William S. Baring-Gould an oder nennt Filme oder Radioshows. Pastiches sind die erweiterte Form der fiktiven Geschichtenerzählung.

Der zusätzliche Graphic Novel ist eine Dreingabe, die auch als so behandelt werden sollte. The Case of the Anemic Heir weiß da leider nicht zu überzeugen, da viel zu kurz ist. Auch der Bruch zu den klassischen Sherlock Holmes Abenteuern wird durch den Einsatz von “übernatürlichen” Elementen sichtbar. Für mich leider nicht sehr interessant und daher nur hier erwähnenswert.

Die letzten Seiten werden dann noch mit einer kurzen Biographie über Arthur Conan Doyle gefüllt und einigen typischen Illustrationen von Sidney Paget.

Fazit

Das Graphic Novel war für mich eine zusätzliche Erfahrung den Roman A Study in Scarlet zu lesen, da es eine neue Sichtweise des Romans beinhaltet. Durch die Interaktion von Bild und Wort entsteht so eine Interpretation der Autoren bzw. Künstler.

Das Graphic Novel ist zudem sehr nahe an dem originalen Roman, auch wenn einiges gekürzt wurde. Die schwarz-weißen Kohlezeichnungen sind einfach toll, detailliert und passt zu dem stetigen Grau der viktorianischen Zeit. Aufgrund der Länge von 30 Seiten bietet A Study in Scarlet einen kurzweilige aber übersichtliche Interpretation eines Klassikers. Das Extramaterial über die Welt des Sherlock Holmes richtet sich gerade an die Einsteiger und bietet notwendige Hintergrundinformationen.

Leider wird ein “typischer” Sherlock Holmes ausgewählt, der natürlich den Deerstalker und das Inverness-Cape tragen muss. Die Kürzungen der Geschichte rund um die USA führt zu Logikfehlern und Verständnisproblemen, wenn man das Original nicht kennt.

Absolut lesenswert und auch empfehlenswert, um einen zusätzlichen Blick auf einen absoluten Klassiker zu bekommen.

   

(4 von 5)


Quellen:


Weitere Reviews findest du, wie immer, hier.

 

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