Der Artikel „Culverton Smith“ wurde im Baker Street Chronicle Ausgabe 24/2017 veröffentlicht und kann hier bestellt werden.

Aufgrund von möglichen Copyright-Rechten werde ich auf Filmausschnitte der Granada-Serie in dem Artikel verzichten.


Culverton Smith in Granadas „The Dying Detective“ (1994)

Intelligenz | Ansehen | Berechnend

Im Jahr 1994 erschien unter Granada eine erneute Verfilmung von DYIN mit dem fabelhaften Jeremy Brett als Sherlock Holmes. Die 32. Episode, gelistet unter „The Memoirs of Sherlock Holmes“, ist getreu der originalen Kurzgeschichte verfilmt, jedoch um einige Charakter und Geschehnisse ausgeweitet. Der eigentliche Kern der Kurzgeschichte findet in der Verfilmung in den letzten 10-15 Minuten statt. Davor werden weitere Details von Culverton Smiths Cousin Victor Savage (in der Verfilmung = Cousin; in der Kurzgeschichte = Neffe), seiner Frau Adelaide Savage und einem John Gedgrave hinzugefügt, der die vollen 50 Minuten füllen soll. Weiterhin wird die Verfilmung um asiatische Opiumhäuser, ein Streit um das Anwesen Somerleigh und um weitere kleinere Details (Smiths versuchter Selbstmord am Ende) erweitert.

Der Zuschauer sieht Culverton Smith zum ersten Mal, als er von einem Sessel zu Victors Frau Adelaide Savage hinschaut, mit einer runden, vergoldeten Brille, die Haare zu einem Scheitel geformt und einem adretten Anzug. Auch bei dem Dinner mit Victor Savage und anderen Gentlemen fügt sich Culverton Smith perfekt in die Runde mit seinem Aussehen und Verhalten. Ein Gentleman mit Frack. Sherlock Holmes hat den Namen Culverton Smith in seinem Verzeichnis nachgeschaut und spricht in höchsten Tönen von ihm: „Der Mann hat die Grenzen der Wissenschaft erweitert.“ Smith ist ein brillanter Verfasser von medizinischen Artikeln, der die nötige Berühmtheit noch erlangen möchte. Smith spricht bei dem ersten Treffen mit Sherlock Holmes von sich selbst als einen unbedeutenden Menschen. Sherlock Holmes widerspricht dieser Aussage und bewundert ihn: „Sie sind zu bescheiden“ Nach Holmes sind Smiths Artikel über das Sumatra-Flussfieber Meisterwerke. Smith fühlt sich dementsprechend geehrt. Auch am späteren Dinner der Savages beobachtet Holmes das Geschehen in jedem Detail und charakterisiert jede Figur am Tisch mit einer Eigenschaft. Bei Smith bleibt die Kamera stehen und er beschreibt Smith mit „Intelligenz“. Nach dem Victor Savage zusammengebrochen am Boden liegt und später obduziert wird, spricht der zuständige Doktor Fisher ebenfalls in hohen Tönen von seiner Leistung: „Ich finde seine Arbeit teilweise brillant.“ Jedoch macht Fisher einen Makel an Smith aus: Er kann nicht mit der winzigsten Kritik umgehen.

In den letzten 15 Minuten der Verfilmung spielt sich der Kern der Kurzgeschichte ab und Holmes wird fürchterlich krank. Gerade dieser Abschnitt ist sehr detailgetreu und verzichtet auf wenige Änderungen. Watson soll Smith holen, um den sterbenden Holmes zu helfen. Der Zuschauer bekommt nun einen passionierten Biologen zu sehen, der aktiv in seiner Wohnung forscht. Überall in der Wohnung sind Terrarien, kleine Insekten, Gläser mit Flüssigkeiten und mittendrin ein Culverton Smith mit hohen Gummihandschuhen. Wie auch im Original spricht Smith über Holmes in einem Vergleich: „Er ist ein Meister auf dem einen Gebiet, ich bin einer auf dem anderen. Er bekämpft Verbrechen, ich jage die Mikroben.“ Dieser Vergleich für Smith ist unwichtig, denn Holmes hat den Ruf des aufstrebenden Culverton Smith zerstört. Durch das legale Erbe des Anwesens der Savages und dem rücksichtslosen Rausschmiss von Adelaide Savage, hat Holmes seinen Widersacher in einer dramatischen Szene gedroht. Auch wenn das Erbe als Motiv juristisch korrekt ist aber moralisch verwerflich, wird Holmes alles daran setzen Culverton Smith zu ruinieren. Das Ende verläuft mit ähnlichen Perspektiven von Smith und Holmes, der Überführung mithilfe des Lichtsignals und der Auflösung der gespielten Krankheit. Smith versucht sich in dieser Verfilmung mithilfe der Box und den giftigen Nadeln selbst zu infizieren. Watson schreitet ein und verhindert dies im letzten Moment.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Granadas Interpretation der Kurzgeschichte „The Adventure of the Dying Detective“ um einige interessante und passenden Ergänzungen erweitert wurde, die im Bezug auf Culverton Smith schlüssig sind. Sowohl in der Kurzgeschichte als auch dem Stummfilm, ist Victor Savage nur ein Name gewesen, der in Granadas Adaption einen tiefgründigen Charakter bekommen hat. Culverton Smith wird hier als Gentleman im besten Alter charakterisiert, der sowohl als passionierter Wissenschaftler als auch als hinterhältiger Gegenspieler von Sherlock Holmes agiert.

Verschollene und sonstige Verfilmungen

Im Jahr 1951 mit der Produktion „We present Alan Wheatley as Mr Sherlock Holmes in…“ (abgekürzt als „Sherlock Holmes“) wurde Sherlock Holmes zum ersten Mal für das Fernsehen adaptiert. Sherlock Holmes wird in sechs Episoden von Alan Weatley verkörpert. In DYIN wird Culverton Smith von Oscar Smith gespielt. Die von der BBC Broadcast produzierte Fernsehproduktion wurde live übertragen und somit für keine weiteren Medien festgehalten. Daher gibt es leider keine Aufzeichnungen von der TV Produktion. Die sechs Episoden (EMPT, SCAN, DYIN, REIG, REDH und SECO) gelten als sehr dicht an den Originalkurzgeschichten nach Sir Arthur Conan Doyle. Ein Bild von Culverton Smith gibt es leider ebenfalls nicht, sondern nur von Sherlock Holmes.

Die deutsche Verfilmung „Sherlock Holmes liegt im Sterben“ ist ein Fernsehspiel, das 1954 ausgestrahlt wurde. Die Produktion war eine Episode der Serie „Die Galerie der großen Detektive“ und wurde von Ernst Fritz Fürbringer als Sherlock Holmes und Wolfgang Jarnach als Culverton Smith verfilmt. Es ist die erste deutsche Holmes-Fernsehproduktion und wurde am 30. November 1954 vom Südwestfunk ausgestrahlt. Es ist wenig über dieses Fernsehspiel bekannt und Bildmaterial konnte nicht ausgemacht werden. Uwe Sommerlad beschreibt in seinem Buch „Sherlock Holmes in deutschen Fernsehproduktionen“, dass es bei der Ausstrahlung zu Bildstörungen kam und auf Wunsch der Zuschauer am 23. Juli 1955 erneut ausgestrahlt wurde (Z1).

Zusammenfassung

Culverton Smith ist ein typischer Gegenspieler von Sherlock Holmes, der in verschiedenen Filmen und Illustrationen unterschiedlich interpretiert wird. Der „originale“ Culverton Smith wird in der Kurzgeschichte DYIN als listiger, heimtückischer Bösewicht dargestellt, der leidenschaftlich an Krankheiten forscht und nicht vor hinterhältigen Fallen zurückschreckt. Die dazugehörigen Illustrationen zeigen einen griesgrämigen, hageren alten Mann, der zunächst nicht als „klassischer“ Bösewicht von Sherlock Holmes bezeichnet werden würde. Jedoch zeigt sich in Steeles Version eine düstere Figur, die Macht über Sherlock Holmes ausstrahlt. Die Adaption als Stummfilm aus dem Jahr 1921 zeigt einen Wissenschaftler in weißer Robe, der aufmerksam Sherlock Holmes in Verkleidung entlarvt und versucht Sherlock Holmes clever auszutricksen, in dem er einen Fake-Culverton Smith in die Baker Street schickt. Hier ist Smith ein Gentleman im mittleren Alter, der in ähnlicher Pose über Sherlock Holmes Erhabenheit ausstrahlt. Granadas verlängerte Adaption zeigt einen erweiterten Culverton Smith, der mithilfe von intelligenten Fachartikeln über Krankheiten ein berühmter Wissenschaftler und angesehener Forscher werden möchte. Die zusätzlichen Anpassungen an der Kurzgeschichte zeigen einen berechnenden Culverton Smith, der mithilfe eines legalen Erbrechts das Anwesen der Savages erbt und die Frau von Victor Savage, Adelaide Savage, aus dem Haus schmeißt. Diese rücksichtslose und berechnende Verhaltensweise zeigt ein egoistischen und heimtückischen Widersacher, der letzten endlich in allen Verfilmungen von Sherlock Holmes zur Strecke gebracht wurde. Ein weitere Verfilmung schließt sich nun mit der neuen Episode „The Lying Detective“ der BBC-Serie „Sherlock“ an, in der Toby Jones den Gegenspieler Culverton Smith spielt. Eine weitere Verfilmung und eine neue Chance neue Facetten über Culverton Smith herauszuarbeiten!


Quellen:


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