Der erste Kurzfilm mit Sherlock Holmes aus dem Jahr 1900. Sherlock Holmes hat eine lange Filmgeschichte, die bis zum heutigen Tage andauert und noch viele Jahrzehnte weitere Interpretationen des Meisterdetektivs hervorbringen wird. Wenn man sich aber die Anfänge der Filmgeschichte über Sherlock Holmes anschaut, so landet man bei einem rund 1-minütigen Kurzfilm: Sherlock Holmes Baffled. Der Beginn einer Filmkarriere, die zu einem der am meist verfilmten Figuren der Literaturgeschichte führen wird.

Der ratlose Meisterdetektiv

Produziert von American Mutoscope & Biograph Company im Jahre 1900, gilt Sherlock Holmes Baffled als der erste Film, der Sherlock Holmes darstellen soll. Der Titel kann in verschiedenen Versionen übersetzt werden: Sherlock Holmes ist verwirrt/ratlos/verdutzt. Und genauso ist auch die Handlung des Kurzfilms. In der sehr kurzen Handlung sieht man einen vermummten Einbrecher mit Handschuhen, der sich nach verschiedenen silbernen Gegenständen umschaut und in einen Sack steckt. Ein Mann mit einer Zigarre im Mund und einem Morgenmantel betritt die Szene und will den Einbrecher zur Rede stellen. Er klopft den Einbrecher auf die Schulter. Sobald er die Schulter des Einbrechers berührt, verschwindet der Einbrecher wie ein Geist und kehrt an einer anderen Stelle im Raum zurück. Die Beute bleibt an der gleichen Stelle liegen. Der Mann im Morgenmantel setzt sich hin und zündet sich seine Zigarre erneut an, die dann urplötzlich explodiert. Der Einbrecher erscheint im nächsten Bild wieder und verschwindet auch sofort wieder, so als würde er den Mann austricksen. Völlig verwirrt und ratlos holt der Mann einen Revolver und feuert einen Schuss ab. Der Dieb ist aber immer hinter dem Mann. Letztendlich verschwindet der Einbrecher mit der Beute aus dem Fenster und der Kurzfilm endet.

Ich habe den Mann mit dem Morgenmantel absichtlich nicht sofort als Sherlock Holmes bezeichnet, denn der kurze Film zeigt keinerlei Referenzen zu dem Kanon von Sir Arthur Conan Doyle. Mattias Boström sieht in dem Film auch keinerlei Verbindung zu Sherlock Holmes. Lediglich der Titel sollte eine Erfolgsgarantie sein. Nun kann an dieser Stelle argumentiert werden, ob dieser Film etwas mit Sherlock Holmes zu tun hat oder nicht. Neben dem Titel Sherlock Holmes Baffled trägt der Mann mit der Zigarre noch einen Morgenmantel, der natürlich ein Markenzeichen von Sherlock Holmes ist. Michael Pointer, ein Historiker über Sherlock Holmes in Filmen, deutet an, dass das Aussehen und der Morgenmantel eine Nachbildung bzw. ein Nachahmung von William Gillette’s Bühnenstück Sherlock Holmes ist, der dort ebenfalls unter anderem einen Morgenmantel trägt (Bühnenstück startete 1899).

Technik, Kontext und Geschichte des Films

Mutoskope 1896

Technisch betrachtet, ist dieser Kurzfilm in den Anfängen der Filmgeschichte einzuordnen und versuchte bereits in den Anfängen mit besonderen Effekten zu überzeugen. Das Original von 1900 bestand aus einer Reihe von Papierbildern, die ringförmig aneinander gereiht wurden. Man kann sich das wie ein Daumenkino vorstellen, bei der beim Durchgang der einzelnen Bilder eine kurze Sequenz entsteht. Diese ringförmige Aneinanderreihung von Bilder war in einer speziellen Maschine eingebaut, die als Mutoskop (Mutoscope) bezeichnet wird. Durch das Drehen an einer Kurbel an dem Gerät und das Hindurchschauen durch ein Guckloch, ergibt sich eine Bewegung durch die einzelnen Bilder in der Maschine. Durch das rasche Drehen entsteht ein Eindruck, dass sich die Bilder bewegen und sich ein ganzer Film ergibt.

Bei Sherlock Holmes Baffled gibt es nur eine Szene und eine Einstellung. Der Film hat laut Michael Pointer bereits einiges an Special Effects zu bieten. Das kurzzeitige Verschwinden des Einbrechers als Geist, gibt dem Film etwas neuartiges für die Zeit. Der Darsteller von Sherlock Holmes wird in dem einminütigen Film als Figur dargestellt, der ausgetrickst wird. Es wird sich über ihn lustig gemacht. Zu dem Darsteller von Sherlock Holmes gibt es bis heute keinerlei Informationen und man weiß noch nicht einmal wie er heißt. Die Kamera wurde von Arthur Mavin geführt.

Der Kurzfilm Sherlock Holmes Baffled galt lange Zeit als verschollen und unauffindbar. Jedoch fand Michael Pointer, der bereits genannte Spezialist für die Filmgeschichte von Sherlock Holmes, die Papierbilder 1968 in der Library of Congress in Washington D.C. Die Kartonbilder wurden dann anschließend durch die Bibliothek auf ein 16 mm Filmformat transferiert, um die Vorführungen des Films zu erleichtern.

The Mutoskope 1899

Bezüglich der Länge des Kurzfilms gibt es unterschiedliche Angaben. Aufgrund der altertümlichen Darbietung des Films durch die Kartonbilder und dem Mutoskop kann der Betrachter die Geschwindigkeit selber regulieren. Je schneller man an der Kurbel dreht, desto schneller bewegen sich die Kartonbilder. Deswegen ist die Länge des Films abhängig von dem Tempo. Wenn man sich den Film bei Youtube anschaut, so geht der eigentliche Film rund 48 Sekunden (mit einem zusätzlichen Abspann). Offiziell beträgt die Länge rund eine Minute. Laut der amerikanischen Wikipedia-Seite zu Sherlock Holmes Baffled beträgt die Laufzeit aber nur 30 Sekunden.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Kurzfilm Sherlock Holmes Baffled ein sehr kurzweiliger Ausflug darstellt, jedoch aufgrund seines Alters als ein Meilenstein der Sherlock-Holmes-Filmgeschichte gilt. Nicht nur, dass Sherlock Holmes dort seinen ersten Auftritt hatte, sondern auch bereits die Technik für die damalige Zeit einmalig und besonders gewesen ist. Selbstverständlich ist der Inhalt für die heutige Zeit banal und hat keinerlei Verweise zu den Sherlock Holmes Abenteuern, jedoch bereitete dieser Kurzfilm den Weg für viele weitere Filme und machte Sherlock Holmes als einer der meist verfilmten Figuren der Weltliteratur.

PS: Dieser Artikel erschien im Baker Street Chronicle Winter 2017. Kaufen könnt ihr die Ausgabe hier:


Quellen:


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