Ich habe bereits viel im Vorfeld von diesem Sherlock-Holmes-Pastiche gehört und nun habe ich es gelesen! Hier also die umfassende Review dazu. Vorab: Absolut empfehlenswert!

Inhaltsangabe [ohne Spoiler]

Es ist November 1888 im verschneiten London. Sherlock Holmes ist wieder dem Rausch an Drogen verfallen und sein treuer Freund Watson kann ihn nicht helfen. Sherlock Holmes braucht Arbeit um zu funktionieren. Ein verschlüsselter Brief aus Paris erreicht die verschneite Baker Street.

Mlle La Victoire, eine französische Kabarettstar hat dem Detektiv geschrieben, dass ihr junger Sohn verschwunden ist. Für die zwei geht es nach Paris! Doch bei dem Verschwinden bleibt es nicht, denn der verschwundene Sohn ist nur ein Teil eines ganzen Werkes. Was also haben ein verlorener Sohn, eine gestohlene wertvolle Statue in Marseilles und ermordete Kinder in Lancashire miteinander zu tun. Alle drei Handlungsstränge führen zu einer einzigen, unantastbaren Person, einem Kunstsammler.

Zitate, die es wert sind, zu nennen

Wie immer an dieser Stelle ein paar Zitate, die die Sprache und das Gefühl eines Sherlock-Holmes-Abenteuers zu vermitteln. Denn wer möchte nicht, dass sich sein Pastiche wie ein Abenteuer von Conan Doyle liest?

“As I have often in the past, I wondered again briefly about Holmes’s own story. Of his childhood, I knew nothing.” (S. 39)

Man merkt deutlich, dass die enge Verbindung zu Watson und Sherlock Holmes auch in Art in the Blood hergestellt wurde und die Freundschaft authentisch rüberkommt. Auch gerade am Anfang macht sich Watson Sorgen über seinen drogensüchtigen Freund. So auch Holmes’ Verwandlung nach seinem neuen Fall:

“All evidence of Holmes’s drug-fulled debode had been eliminated, his papers and chemical equipment tidied, the room aired and scrubbed.” (S. 101)

Gelungen ist generell die Sprach à la Conan Doyle. Ich habe mich sofort in der Welt von Sherlock Holmes und Watson wiedergefunden. Es gibt, wie in zahlreichen anderen guten Pastiches, auch hier eine Vielzahl an Referenzen zu dem Kanon. Zu nennen wäre da auf jeden Fall berühmten 17 Stufen in 221B oder aber auch die typischen Verkleidungen, die es in Art in the Blood häufig gibt (und ja auch Watson muss hier herhalten… ). Doch dazu gehört auch der Umgang mit Watson:

“It was typical of Holmes to disguise his agenda, even from me.” (S. 47)

Ein grandiose Idee, die häufig auch im Kanon vernachlässigt wird, ist der Aspekt von Fortschritt. Fortschritt im Sinne von mit der technologischen Zeit gehen. Der Kanon bleibt dort häufig (nicht immer) im gleichen Zeitpunkt stehen. Art in the Blood spricht dies an und zeigt einen technologisch-offenen Holmes:

“As you know, Watson, I am no enemy of technology and progress, in theory–nor indeed in all of its practice. A telephone, for example, may very well be in our future at Baker Street.” (S. 205)

Perspektivwechsel und 3 Orte

Außerordentlich gelungen, jedoch aber untypisch im klassischen Sinne, ist der Perspektivwechsel in Art in the Blood. Der Sherlock-Holmes-Purist bekommt nun Schauer über die Kanongeschichten mit Holmes als Erzähler, doch in Art in the Blood macht der Wechseln durchaus Sinn. Aufgrund der drei Orte Paris, Lancashire und London müssen sich Watson und Holmes aufteilen. Sprachlich drückt sich dies natürlich auch aus, bei der Holmes eher komplexere Sätze hat, die zu seinen schnellen Gedanken passen. Die Verzweigungen des Falls machen so aus unterschiedlichen Perspektiven Sinn. Watson, der diesen Fall wieder aus Notizen verfasst hat, hat Holmes um die Einzelheiten seiner Ermittlung natürlich gefragt.

Doch natürlich bergen die drei Orte mit den drei Fällen das Risiko der Unübersichtlichkeit. Und das kann man schon an einigen Stellen als negativ betrachten, da man zunächst denkt: wie soll das alles zusammenpassen? Natürlich steht die “Kunst” hier als Verbindung, aber als Leser muss man schon gehörig aufpassen und Art in the Blood möglichst ohne viel Verzögerung lesen. Das Ende verbindet die drei Ebenen (verschwundener Sohn, wertvolle Statue und Kindermorde) geschickt, jedoch auch nicht zu 100% stimmig.

Jedoch merkt man die große Recherche von Bonnie MacBird. Art in the Blood wirkt sehr authentisch und ich konnte mich immer in die viktorianische Zeit versetzen. Der Pastiche wirkte nie wirklich aus der Zeit gefallen. Das kann auch ein Resultat der angesprochenen Themen sein: Kinderarmut, Waisen, Kunst und der Kontext von Jack the Ripper. Irgendwie hat mich Art in the Blood an manchen Stellen an The House of Silk (Das Geheimnis des weißen Bandes) von Anthony Horowitz erinnert. (Ja, da müsste es auch noch eine Review zu geben…)

Abschlussbesprechung

Um es kurz auf den Punkt zu bringen: Ich finde Art in the Blood von Bonnie MacBird einen sehr gelungen Pastiche, der doch aus der Masse aller Pastiches heraussticht. Das liegt neben der oben angesprochen Themen, der authentischen Beziehung von Watson und Holmes aber auch an den Nebenfiguren. Mir hat Mlle La Victoire gut gefallen, die als verzweifelte Mutter ihren Sohn Emil sucht. Selbst Sherlock Holmes entwickelt gewisse Gefühle zu der berühmten Kabarettistin.

Aber auch der französische Ursprung wird in Art in the Blood angesprochen:

“I read the name below the portrait. It had been painted by Horace Vernet – the brother of Holmes’s grandmother.” (S. 43)

Die Verkleidungen von Watson und Holmes waren ebenfalls gelungen und glaubwürdig eingebunden. Hier scheint sich Watson ebenfalls gut verkleiden zu können. Generell hat mir die düstere Atmosphäre gefallen, die an einigen Stellen düster und brutal war, jedoch nicht plakativ:

“There is great evil where we are going; you sense it and you are correct. Be at all times on your guard.” (S. 129)

Wie ihr seht, habe ich diesmal ein paar mehr Zitate eingebunden, da mir die Sprache und Atmosphäre gut gefallen hat. Ich habe mir noch mehr aufgeschrieben, lasse es aber an dieser Stelle. Ihr müsstest ein Gefühl für Art in the Blood bekommen haben.

EXTRAS, viele grandiose EXTRAS

Wer also noch nicht genug von Art in the Blood bekommen hat, dem zeige ich hier noch einen Tipp. Wer noch tiefer in die Materie eintauchen möchte, der kann sich auf der offiziellen Seite von Bonnie MacBird und Art in the Blood zu jedem Kapitel (!) sogenannte Annotations (Anmerkungen) anschauen. Und genau das meinte ich vorhin mit der tiefen Recherche und authentischen Stimmung in Art in the Blood.

Abrufen könnt ihr alle Notizen an dieser Stelle:

<https://macbird.com/aitb/notes/>

Einfach nur grandios!

Ich bin sehr auf den Folgeroman gespannt, der bereits in meinem Regal darauf wartet gelesen zu werden:Unquiet Spirits: Whisky, Ghosts, Murder

+ grandiose Atmosphäre, glaubwürdige Sprache, authentische Figuren

+ Referenzen zu dem Kanon (Verkleidungen sehr stark; auch Beeton’s Christmas Annual ist mit dabei; bestimmt noch einige übersehen)

+ Perspektivwechsel zwischen den Fällen und Orten (für Holmes Puristen sicherlich diskutabel)

+ zahlreiche Extras und Kommentare auf der offiziellen Seite, die die Authentizität unterstützen

– das Ende hat mich nicht zu 100% überzeugt, ist aber keineswegs unglaublich schlecht

o 3 Storylines führten doch manchmal zu Verwirrung

 

(5 von 5)

ABSOLUT EMPFEHLENSWERT!


MacBird, Bonnie. 2015. Art in the Blood. Collins Crime Club.


Weitere Reviews findest du, wie immer, hier.

 

Eine Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert