Es bietet sich immer an zwei Klassiker der Weltliteratur miteinander zu verschmelzen: Sherlock Holmes und Dracula. Auch wenn eine Review zu dem Buch Sherlock Holmes Vs. Dracula von Loren D. Estleman noch aussteht, gibt es heute einen weiteren Versuch beide Figuren miteinander zu verbinden. Es heißt also Doyle vs. Stoker oder auch Sherlock vs Dracula!

> Über den Autor

Stephen Seitz ist ein lebenslanger Sherlockianer. Als Journalist, Autor zahlreicher Bücher und Filmkritiker kann Seitz mit Sprache umgehen. Der Sherlock-Holmes-Fan lebt in Springfield Vermont und Sherlock Holmes and the Plague of Dracula ist sein erstes Sherlock-Holmes-Abenteuer. Doch seither sind noch mehrere Pastiches erschienen.

Seine weiteren Sherlock-Holmes-Pastiches wären dann noch Never Meant to Be (2013) und Sherlock Holmes and the House of Pain (2015). Außerdem finden sich zahlreiche Kurzgeschichten in z.B. Holmes Away from Home: Adventures from the Great Hiatus oder auch The MX Book of New Sherlock Holmes Stories – Part XIII: 2019 Annual.

> Weitere Werke des Autors

Zusammenfassend sind also die Werke des Autors Stephen Seitz:

In folgenden Sherlock-Holmes-Buchsammlungen:

> Inhaltliche Zusammenfassung (Spoilerfrei)

After Mina Murray asks Sherlock Holmes to locate her fiancee, Holmes and Watson travel to a land far eerier than the moors they had known when pursuing the Hound of the Baskervilles. The confrontation with Count Dracula threatens Holmes’ health, his sanity, and his life. Will Holmes survive his battle with Count Dracula? (Klappentext)

Grundsätzlich findet in Sherlock Holmes and the Plague of Dracula eine Verschmelzung der beiden Figuren Holmes und Dracula statt. Mina Murray beauftragt Holmes ihren Verlobten Jonathan Harker zu finden. Harker ist aufgrund seiner Arbeit als Solicitor (Anwalt) und wurde von Peter Hawkins (seinem Dienstherren und ebenfalls Anwalt) beauftragt zum Anwesen von Count Dracula ins Ferne Transsilvanien zu reisen. Holmes & Watson reisen ebenfalls ins Ferne Transsilvanien um nicht nur Harker, sondern auch Count Dracula zu suchen. Was erleben Sherlock Holmes und Dr. Watson im Schloss von Dracula? Werden sie Jonathan Harker finden? Was passiert wenn Dracula (mit der Demeter) nach London reist?

1/3 Part One: Castle Dracula

Sherlock Holmes and the Plague of Dracula beginnt klassisch mit einer Klientin, Mina Murray, die untypische Briefe von ihrem Verlobten Jonathan Harker aus Transsilvanien erhält. Grundsätzlich lehnt sich der erste Abschnitt des Pastiches ganz eng an das Original von Bram Stoker an. Nur, dass es nicht aus der Sicht von Jonathan Harker erzählt wird, sondern dass Sherlock Holmes und Dr. Watson selber dort hin reisen. Daher bietet der erste Abschnitt zahlreiche Beschreibungen und Erlebnisse rund um das Geschehen im Schloss von Dracula. Dorfbewohner beschreiben die schrecklichen Ereignisse und berichten über brutale Morde an ihren Kindern. Was Holmes & Watson genau erleben möchte ich an dieser Stelle nicht weiter vertiefen. Drei attraktive Frauen und ein schwerwiegendes Ereignis für den weiteren Verlauf des Pastiches finden aber statt!

2/3 Part Two: The Plague of Dracula

Der zweite Abschnitt spielt hauptsächlich in London. Es gibt zahlreiche Todesfälle, einen Holmes, der sich komisch verhält, und klassische Figuren aus dem Universum von Bram Stoker. Dr. Van Helsing und Dr. Seward werden hier eingeführt und spielen für den Verlauf des Pastiches eine zentrale Rolle.

Natürlich darf ein Moriarty nicht fehlen! Moriarty’s und Dracula’s Verbindung wird hier aufgeklärt und ausgebaut. Mit dem Titel The Plague of Dracula ist grundsätzlich die „Seuche“ in London gemeint. Die Nachwirkungen und Auswirkungen von Dracula in London. Weitere Todesfälle von weiteren Figuren werden detailliert und brutal beschrieben. Blut und Gift. Gräber und Morde.

3/3 Part Three: The Great Hiatus

Wenn Moriarty eine zentrale Rolle spielt, dann ist auch der Reichenbach Fall auch nicht weit. Die wahren Gründe und exakte Auflösung über das Ereignis am Reichenbach Fall wird mit der Geschichte von Dracula verbunden. Beschreibungen über den Vorfall am Reichenbach Fall werden wiederholt und die Nachwirkungen nach dem „Tod“ erläutert. Es gibt sogar eine Zeremonie und Bestattung in London, bei der zahlreiche Figuren aus dem Kanon (Stamford, King of Bohemia, Helen Stoner, Sir Henry Baskerville,…) teilnehmen. Gespickt natürlich mit vielen Referenzen aus dem Kanon.

Natürlich ist Holmes nicht tot! Natürlich erläutert Holmes den gesamten Fall, stellt Forschungen über Vampirismus auf und klärt die Morde in London auf.

> Hauptfiguren

Ganz allgemein kann man an diese Stelle sagen: Wer die Figuren aus Bram Stoker’s Dracula kennt, der wird in Sherlock Holmes and the Plague of Dracula viele bekannte Gesichter treffen. Eine Mina Murray oder ein Jonathan Harker sind dabei nicht die einzigen Personen. Auch Dr. Seward und Dr. Van Helsing oder Peter Hawkins sind mit dabei.

Auch das erste Opfer von Dracula in London spielt eine zentrale Rolle: Lucy Westenra. Insbesondere die Beschreibungen und Erläuterungen zum Tod von Lucy sind ziemlich brutal beschrieben. Viel Blut, ein abgeschlagener Kopf und ein vollgestopfter Mund mit Knoblauch.

Insbesondere hervorzuheben ist Mary Morstan. In Sherlock Holmes and the Plague of Dracula taucht Morstan immer mal wieder auf. Watson hat das Gefühl, dass sie eine Affäre hat. Was ich Anfangs als skeptisch fand, stellt sich im weiteren Verlauf als Überraschung heraus. Denn Morstan spielt eine emotionale und tiefgründigere Rolle. Insbesondere die Gespräche zwischen Watson und Morstan waren aus meiner Sicht überzeugend und immer wieder gut eingebunden. Grundsätzlich haben alle Figuren in dem Pastiche aufgrund des Originals eine gute Vorgeschichte.

> Schreibstil nach Conan Doyle

Mir hat der Schreibstil von Stephen Seitz gut gefallen. Die Stimme von Watson als Biograph war überzeugend, dem Stil vom Kanon entsprechend und Holmes war als Sherlock Holmes nach Conan Doyle zu erkennen.

Sehr authentischer Schreibstil nach Conan Doyle!

Es gibt in dem Pastiche zahlreiche Anspielungen, die einfach Spaß machen. Seitz hat sie nicht nur gut eingebunden, sondern spielt an vielen Stellen auch passend mit Zitaten. Hier merkt man den Sherlockianischen Hintergrund. Insbesondere hervorzuheben ist die Bestattung und Zeremonie von Sherlock Holmes in London. Sehr emotional, mit vielen Referenzen zu den einzelnen Abenteuern. Nicht nur, dass eine Helen Stonder aus The Speckled Band gekommen ist oder auch der King of Bohemia aus der Kurzgeschichte A Scandal in Bohemia, sondern auch Stamford schwelgt mit Watson in Erinnerungen. Das erste Treffen mit Holmes und Watson. Außerordentlich gut gelungen, emotional und glaubwürdig.

Wie immer gebe ich euch noch ein paar Zitate mit an die Hand, damit ihr euch ein Gefühl über den Schreibstil machen könnt:

„Her name is Mina Harker“, Holmes said. „She believes her fiancé, Jonathan Harker, is in deep trouble somewhere in Transylvania and she suspects he may have come to harm.“ (S. 3)

Zwar relativ am Anfang des Pastiches, jedoch ein guter Beleg über die klassische Struktur einer Klientin und der Verknüpfung beider Welten von Doyle und Stoker. Wer das Dracula von Stoker kennt, der kennt mit Vorwissen an diesen Roman, wer die Geschichte nicht kennt, kommt sehr gut zurecht.

„Holmes handed me a copy of Lippincott’s Magazine, which contained my account of ‚The Sign of Four‘“ (S. 36)

Holmes findet im Schloss von Dracula ein Lippincott’s Magazine mit SIGN

Eine grandiose Szene im Schloss von Dracula, bei der Holmes seinem Biografen ein Lippincott’s Magazin mit dem Roman Das Zeichen der Vier übergibt.

Ebenfalls ein weiterer Beweis über den glaubwürdigen Schreibstil nach Conan Doyle:

„I am the first to admit that when Holmes is on the scent and his swift, precise mind is in flight, I am filled with wonder and admiration. Indeed, who is not?“ (S. 145)

Diese Szene findet direkt vor dem Vorfall der Reichenbachfälle statt und hier spricht Watson in seinem Tagebuch über seine Freude über die Abenteuer mit Sherlock Holmes.

Weiterhin gibt es natürlich viele kleine Referenzen: ear-flapped travelling cap (S. 75); new game is afoot (S. 73) oder auch Watson’s Jezail Bullet. Auch ein klassisches Zitat aus The Final Problem wurde passend eingesetzt: „The air of London is the sweeter for my presence.“ (S. 127)

Grundsätzlich gefällt mir die Verknüpfung beider Welten von Stoker’s Dracula und Doyle’s Sherlock Holmes. Glaubwürdig inszeniert und passend eingesetzt. Sichtbar wird dies unter anderem durch die Erzählstruktur. Watson berichtet, nicht wie üblich, als Biograf seine Geschichte, sondern handelt es sich bei diesem Pastiche um Watson’s Tagebuch. Seitz hat hier also die klassische Struktur von Stoker genommen und diese auf die Welt von Watson übertragen. Nicht nur wird Moriarty und Dracula glaubwürdig verbunden (ich sage nur Baring Brothers) sondern auch die Figuren aus beiden Welten (sei es Mina oder Lucy Westenra von Stoker oder Lestrade von Conan Doyle) passen gut zusammen. Hier musste wenig dazu erfunden werden, da beide Welten genug Ausgangsmaterial bereithalten

Weiterhin hat mir gut gefallen, dass Dracula in Sherlock Holmes and the Plague of Dracula nur einmal (und in dieser Situation sehr düster) erscheint. Dieser Ansatz des omnipräsenten Vampirs, des allgegenwärtigen Dracula passt ausgesprochen gut zum Titel Plague of Dracula und dem Plot, da es nach dem 1/3 des Buches hauptsächlich um den Vampirismus als Krankheit geht und nicht um den Grafen Dracula selbst. Das kann man nun mögen oder nicht. Man könnte natürlich kritisieren, dass es keine intensiven Dialoge zwischen Holmes und Dracula gibt, jedoch ist der allgegenwärtige Dracula passender und furchteinflößender.

Das 1/3 des Pastiches ist aus meiner Sicht sehr gelungen. Die mysteriöse Reise zum Grafen Dracula zu seinem Schloss, die Entdeckungen in dem Schloss und die drei Frauen in Transsilvanien haben schon Anzeichen eines Thrillers. Unglaublich spannend und hier schon ein kleine Finale bevor es zurück nach London geht. Hier kamen mir immer die Fragen: Lebt Jonathan Harker nun? Wann treffen Holmes und Watson nun endlich Dracula?!

Viele Kleinigkeiten, die ich oben bereits erwähnt habe, kommen zu diesem Lob natürlich dazu: Mary Morstan & Watson / die Bestattung von Sherlock Holmes / die Referenzen zum Kanon

Natürlich gibt es aber auch Kritik an Sherlock Holmes and the Plague of Dracula. Nach dem 1/3 des Buches werden viele „Fässer“ aufgemacht: unerklärbare Morde à la Jack the Ripper in London / die wahre Geschichte zum Reichenbach Fall / der Tod von Lucy Westenra / die Wissenschaft um den Vampirismus / Dr. Van Helsing & Dr. Seward

Hier hätte ich mich auf weniger Aspekte beschränkt, da es z.B. beim Reichenbach Fall Wiederholungen aus The Final Problem gibt (verständlich für Nicht-Sherlock-Holmes-Fans) oder eine nähere Anbindung an Stokers Original. Hier hatte ich manchmal das Gefühl, dass beiden Welten zu viele Aspekte bieten, die der Autor aber gerne unterbringen würde. Daher ist ein Abschwung nach dem Schloss von Dracula zu erkennen und der zieht sich leider auch in der Mitte des Buches weiter. Lediglich wenn mehrere Stränge beider Welten zusammenkommen (sprich z.B. Reichenbachfall und Lucy Westenra’s Tod) kommt das Buch wieder in Fahrt. Das Ende und damit die endgültige Verknüpfung beider Welten finde ich aber wiederum passend. Lediglich der Weg dahin ist ein wenig holprig.

Weiterhin finde ich den Pastiche aus meiner Sicht zu brutal. Abgetrennte Köpfe von Kindern, viel Blut, in Mund gestopfter Knoblauch. Die Beschreibungen von Dorfbewohnern vor der Ankunft im Schloss von Dracula sind aus meiner Sicht zu übertrieben. Auch eine Szene mit Lucy Westenra’s Grab ist sehr brutal beschrieben. Das ist aber nur meine persönliche Empfindung und kann für andere Leser/innen eventuell passend sein. Es ist halt keine Love-Story zwischen Jonathan Harker und Mina, wie es in vielen Filmadaptionen dargestellt wird.

Sherlock Holmes and the Plague of Dracula ist grundsätzlich zu empfehlen. Wir brauchen nicht darüber zu sprechen, dass Sherlock-Holmes-Fans und Dracula-Fans hier ihren Spaß haben werden. Denn allein schon die glaubwürdige Verknüpfung beider Welten spricht viele Interessenten an. Aber der Pastiche bietet viele versteckte Details aus beiden Welten, ist zwar sehr brutal, möchte manchmal etwas zu viel aus beiden Welten, ist jedoch eine klare Leseempfehlung.

> Kurzversion

+ Verknüpfung beider Welten (Conan Doyle & Bram Stoker)

+ das 1/3 des Buches ist sehr stark und spannend

+ zahlreiche, passende Referenzen / bekannte Figuren beider Welten

+ der omnipräsente, allgegenwärtige Dracula

die Fülle/Menge aus beiden Welten in einem Pastiche

brutale Beschreibungen/Details

schwächerer Mittelteil

> Bewertung

   

(4 von 5)

Das Buch Sherlock Holmes and the Plague of Dracula wurde mir freundlicherweise durch MX Publishing bereitgestellt. Die Rezension spiegelt jedoch meine freie Meinung über das Buch wider. Für weitere Infos über das Sherlock Holmes and the Plague of Dracula könnt’ ihr euch hier informieren:

> Weitere Empfehlungen

Estleman, Loren D. 2000. Sherlock Holmes vs. Dracula. iBooks.

Weitere Reviews findest du hier.

Eine Antwort

  1. Sehr interessant! Schade aber daß die Schwedische Sherlock. Holmes- fans allgemein die Deutsche Sprache nicht so gut verstehen können. Deiner Blog ist immer sehr interessant und lehrreich.

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