Der Name des Biographen von Sir Arthur Conan Doyle sollte jedem Sherlockianer und Sherlock Holmes Enthusiasten hinreichend bekannt sein: John H. Watson.

Selbst für Nicht-Sherlockianer ist der beste Freund von Sherlock Holmes ein Begriff und Bedarf keinerlei Erklärung. Bei seinem Zweitnamen H. wird es schon schwieriger. Dorothy L. Sayers, Erschafferin von Lord Peter Wimsey, erklärte, dass das H.  für Hamish steht. 

Warum aber nennt die erste Frau von Watson, Mary Morstan, in Der Mann mit der entstellten Lippe (The Man with the Twisted Lip TWIS) den Biographen mit einem anderen Vornamen? Sie nennt John H. Watson in dieser Situation James

Ausgangssituation: Auszug aus dem Kanon TWIS

Schaut man sich die Kurzgeschichte Der Mann mit der entstellten Lippe (Dezember 1891) an, so kommt zu Beginn der Geschichte Kate Whitney, eine Freundin von Mary Morstan, zu Sherlock Holmes und möchte einen neuen Fall präsentieren. Bevor sie mit dem Detektiv spricht, unterhalten sich Mary Morstan und Kate Whitney. Hier ein Auszug aus dem Kanon:

The Man with the Twisted Lip (Auszug)

Wie kann es sein, dass Mary Morstan ihren Ehemann mit James anspricht anstelle von John? Durch diese Stelle rangen viele Mythen, Erklärungen und Interpretationen, die im folgenden ein wenig vorgestellt werden.

Im Kanon ist es unüblich, wenn sich Personen mit dem Vornamen ansprechen. So sprechen sich selbst Sherlock Holmes und John Watson mit Holmes und Watson an. Auch die Wahl von Namen kann grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Platznamen und stärkere Namen. Platznamen sind Namen für Personen, die eine Art Platzhalterfunktion haben. Wenn der Kutscher als John bezeichnet wird, aber nicht weiter in der Geschichte vorkommt. Aber eingehendere Namen sind natürlich wichtiger, wenn die Figur einen wesentlichen Anteil der Geschichte trägt. Beispiele hierfür sind Dr. Grimesby Roylott (SPEC) oder Jabez Wilson (REDH).

Alle Interpretationen und Erklärungen sind von dem Podcast Trifles gebündelt zusammengefasst und mit den Kommentaren von William S. Baring-Gould’s Buch The Annotated Sherlock Holmes verknüpft worden.  Der Podcast ist wie immer sehr hörenswert und kann hier angehört werden:

Interpretationen und lustige Erklärungen

John H. Watson in BOSC

Dorothy L. Sayers, Erschafferin von Lord Peter Wimsey, erklärt in ihrem Essay Dr. Watson’s Christian Name. (In: Unpopular Opinions), dass das H. für Hamish steht, aus dem Gälischen stammt und mit James übersetzt werden kann. Eine logische und nüchterne Betrachtung und Mary Morstan hat in der Situation einfach den Zweitnamen benutzt.

Viele aufmerksame Sherlockianer haben häufiger schon gehört oder gelesen, dass es Inkonsistenzen in dem Kanon gibt und Arthur Conan Doyle unbewusst Fehler eingebaut hat. So hat Watson mal seine Beinverletzung am linken oder am rechten Bein, um nur ein Beispiel zu nennen. Deswegen sagen viele Sherlockianer (z.B. H. W. Bell), dass es einfach ein Fehler von Sir Arthur Conan Doyle gewesen ist und er aus Versehen James geschrieben hat, aber John meinte. Ebenfalls eine logische Erklärung.

Natürlich gibt es auch lustigere Erklärungsversuche, die dann nicht mehr ganz so logisch sind, jedoch aber witzige Interpretationen sind. Es wird argumentiert, dass Watsons richtiger Name James ist und er sich ein Pseudonym mit John als Biograph der Geschichten zugelegt hat.

Andere erklären, dass James für einen adoptierten Sohn steht, der dann zu Bett gehen soll und nicht John Watson. Die unlogischste Erklärung wäre, dass es zwei Watsons gibt, einer der in der Kurzgeschichte Der Junker von Reigate (The Reigate Squire) gestorben ist und durch einen Zwilling in Der Mann mit der entstellten Lippe ersetzt wurde.

Natürlich dürfen auch Theorien über Moriarty nicht fehlen. Eine ebenfalls abstruse Erklärung wäre, dass Watson gar nicht Watson ist, sondern Prof. James Moriarty! Nette Idee, aber natürlich völlig unlogisch… (trotzdem lustig!)

Weitere Erklärungen durch William S. Baring-Gould

Neben den bereits erwähnten Erklärungen, hat Baring-Gould einige Kommentare in The Annotated Sherlock Holmes gemacht, die noch ergänzt werden. So hat der berühmte Sherlockianer Christopher Morley ebenfalls eine Theorie über den Namen. Er schreibt der Ehefrau eine gewisse Vergesslichkeit vor, die nur aus Versehen James gesagt hat, aber John H. Watson meinte. Morley sieht darin ein Zeichen für die Trennung von John H. Watson und Mary Morstan.

Giles Playfair, so Baring-Gould, hat nach seiner Auffassung die Geschichte absichtlich manipuliert, um etwas zu verstecken bzw. manipulieren. Eine weitere Ausführung und Gründe gibt er nicht…

Fazit

Die vielen Theorien und Erklärungen zeigen auf, dass es keine Lösung und die einzige Erklärung gibt und noch geben wird.

Nach meiner persönlichen Einschätzung ist es ein Fehler von Sir Arthur Conan Doyle und ein Schreibfehler ist. Er meinte John und nicht James. Vielleicht war der Schreibprozess unterbrochen, gestört und hat einfach einen Fehler gemacht. Dieses Beispiel der verschiedenen Interpretationen zeigt wieder einmal, dass die Welt von Sherlock Holmes immer etwas hergibt und auf verschiedene Sichtweisen hin überprüft werden kann.


Quellen:


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