Der Black Thurrick, der Weihnachtsdämon, treibt sein Unwesen bereits seit mehreren Jahrzehnten im Anwesen Fellscar Keep. Was hat es mit der Legende auf sich? Was hat es mit den zurückgelassenen Birkenzweigen auf sich? Lasst uns eintauchen in das Anwesen!

> Über den Autor

Geboren 1965 im Vereinigten Königreich, hat James Lovegrove bereits in der Schule Erfolge beim Schreiben erzielt. In einem Wettbewerb für Kurzgeschichten hat er 15£ gewonnen. Jedoch musste er 17£ für den professionellen Abschluss bezahlen.

Lovegrove hat eine beträchtliche Anzahl an Werken geschrieben. Eine komplette Liste würde den kompletten Rahmen sprengen. Schaut euch einfach mal die Liste auf goodreads an. Bezogen auf seine Werke mit Sherlock Holmes, hat auch hier Lovegrove eine beachtliche Zahl an Pastiches geschrieben:

Und das sind nur die “traditionellen” Pastiches. Dann gibt es noch die “Cthulhu Triologie”, wo Lovegrove Sherlock Holmes mit dem Cthulhu Mythos verbindet. Zusätzlich gibt es noch zahlreiche kleine Geschichten in Sherlock-Holmes-Sammlungen. Insgesamt also eine sehr beträchtliche Liste mit Sherlock Holmes Abenteuern. Passend zur Weihnachtszeit hatte ich richtig Lust Sherlock Holmes & The Christmas Demon zu lesen.

> Inhaltliche Zusammenfassung (Spoilerfrei)

Der offizielle Klappentext beschreibt den Plot folgendermaßen:

It is 1890, and in the days before Christmas Sherlock Holmes and Dr John Watson are visited at Baker Street by a new client. Eve Allerthorpe – eldest daughter of a grand but somewhat eccentric Yorkshire-based dynasty – is greatly distressed, as she believes she is being haunted by a demonic Christmas spirit.

Her late mother told her terrifying tales of the sinister Black Thurrick, and Eve is sure that she has seen the creature from her bedroom window. What is more, she has begun to receive mysterious parcels of birch twigs, the Black Thurrick’s calling card…

Eve stands to inherit a fortune if she is sound in mind, but it seems that something – or someone – is threatening her sanity. Holmes and Watson travel to the Allerthorpe family seat at Fellscar Keep to investigate, but soon discover that there is more to the case than at first appeared. There is another spirit haunting the family, and when a member of the household is found dead, the companions realise that no one is beyond suspicion. (Klappentext)

In der Weihnachtszeit kommt die aufgelöste Klientin Eve Allerthorpe in die Baker Street. Ein Weihnachtsdämon (Black Thurrick) sucht das Anwesen Fellscar Keep in Yorkshire heim. Eve hat bereits in ihrer Kindheit Geschichten von dem Dämon erzählt bekommen. Ist der Black Thurrick zurück? Was hat es mit den Birkenzweigen auf sich, die der Dämon zurücklässt? Sherlock Holmes und Dr. Watson machen sich auf den Weg nach Fellscar Keep und machen dort einige mysteriöse Entdeckungen. Familienmitglieder verschwinden und das Anwesen wird zu einem dunklen Ort. Die Legende kehrt zurück…

Sherlock Holmes & The Christmas Demon hat eine klassische Struktur eines Sherlock-Holmes-Abenteuers: Klientin kommt zur Baker Street, erzählt über eine Legende, Holmes & Watson besuchen das Anwesen, lernen die Familienmitglieder der Allerthorpes kennen und untersuchen die Tatorte. Neue Enthüllungen und neue Ereignisse geschehen vor Ort. Alles sehr klassisch, so wie ich mir eine Holmes Geschichte vorstelle.

Insbesondere die Darstellung der Legende des Dämons hat mich sehr stark an The Hound of the Baskervilles erinnert. Ohne dabei eine Kopie dieses Romans zu sein, setzt The Christmas Demon ganz klar eigene Akzente. Die geheimnisvollen Birkenzweige, die depressive Stimmung beim Anwesen Fellscar Keep und die Familienkonstellationen setzen frische Akzente ohne dabei von einer klassischen Holmes Geschichte abzuweichen.

Grundsätzlich kam schon eine weihnachtliche Stimmung auf: viel Schnee, ein zugefrorener See und ein kaltes, dunkles Anwesen. Und dazu noch ein Weihnachtsdämon! Ich hatte zwischendurch schon Angst, dass es ein übernatürliches Element ist…

> Hauptfiguren

Eine große Stärke von Sherlock Holmes & The Christmas Demon sind die Figuren und deren Beziehungen. Aufgrund der Länge von 375 Seiten sind die Familienmitglieder komplex, entwickeln sich über den Roman und bergen doch einige Überraschungen. Im Umkehrschluss muss man doch aufmerksam lesen, damit man die Beziehungen der Figuren erfasst.

Eve Allerthorpe, die Klientin aus der Baker Street, bleibt zwar ein wenig blass im Laufe der Geschichte, wird aber durch die guten Beschreibungen und Konstellationen der restlichen Familienmitglieder aufgefangen:

Dies ist nur eine kleine Auswahl an Figuren. Doch jede Figur hat einen eigenen Charme: die quirlige Kitty, der strenge und traditionelle Hausherr Thaddeus und die gehorsame Mrs Trebend. Vieles erinnert mich (positiv) an einen Agatha Christie Roman mit Poirot, der sich ebenso auf Figurenkonstellationen fokussiert. Jeder mit seinem Eigenleben (natürlich teils stereotypisch) und geheimnisvollen Beziehungen zueinander. Sehr gelungen!

> Schreibstil nach Conan Doyle

Der Schreibstil ist dem von Conan Doyle schon ähnlich, kann an vielen Stellen aber als komplexer gesehen werden. Wenn der Stil von Agatha Christie einfach ist, der Stil von Conan Doyle ein wenig komplexer, liegt Sherlock Holmes & The Christmas Demon ein wenig drüber. Eher nach einem klassischen britischen Krimi ohne schwer verständliche Fachbegriffe.

Nichtsdestotrotz fühle und spüre ich Sherlock Holmes und Dr. Watson à la Conan Doyle sehr stark und ich hatte nie das Gefühl, dass es sich um einen anderen Detektiv handelt. Die Eigenarten von Holmes sind vorhanden, der -im Dunkeln gelassene- Watson ist ebenso da und die viktorianische Stimmung durch das Anwesen und den Schnee ist gegeben. Beispielsweise kommt es beim Finale am Ende zu einer besonders düsteren Stimmung mit einem weißen dichten Nebel, Schreien im Dunkeln und der Schnee ist noch weißer als am Anfang der Geschichte. Sehr atmosphärisch und bildlich dargestellt.

Aber auch bei den Referenzen zu klassischen Geschichten aus dem Kanon kann Sherlock Holmes & The Christmas Demon klar punkten. Insbesondere die Beschreibung der Legende bereitet uns LeserInnen einen guten Start:

“Whenever Mama told us about the Black Thurrick,” she went on, “I would experience a thrill of fear and reaffirm my resolve to be well-behaved. Sometimes, during Advent, as Christmas loomed, I would have nightmares about it. I would dream that the creature was slithering down the chimney to kidnap me, and would awaken in a cold sweat, panic stricken.” (S. 38)

Was haben wir an Referenzen zu dem Kanon? Genug! Es gibt zahlreiche Referenzen zu klassischen Sherlock-Holmes-Abenteuern, die auch nie unpassend oder nur einfach eingebaut wurden. Aufgrund der Menge nur eine ausgewählte Anzahl:

  1. Charles Augustus Milverton (CHAS)

“You will recall our involvement some four years ago in the matter of Lady Eva Brackwell and the blackmailer Charles Augustus Milverton.” (S. 138)

  1. STUD / SIGN

“Holmes’ celebrity was not yet what it would latterly become. By 1890 I had published only two volumes of his exploits, A Study in Scarlet and The Sign of Four, each of which, while having met with a respectable critical reception, had so far sold only in modest quantities.” (S. 165)

Eine sehr coole Referenz zum Thema Conan Doyle und seinen Anfangszeiten, bei der Doyle seinen Erstlingsroman A Study in Scarlet kaum verkaufen/publizieren konnte. Hier indirekt durch Watson dargestellt.

  1. Natürlich MORIARTY! und Deerstalker…

“I had no idea of the fill extent of Professor James Moriarty’s evildoing, nor could I have predicted the significant and terrible role the Napoleon of crime would come to play in our lives just a few months hence.” (S. 268)

“Rather, still dressed in his Inverness cape and ear-flapped travelling cap, he headed for the door.” (S. 292)

Ach zum Glück wurde die originale Bezeichnung des Deerstalkers verwendet!

Auch ein weiteres gutes Zitat, welches uns LeserInnen den Kontext und die zeitliche Einordnung der Geschichte schildert. Manchmal frage ich mich natürlich, inwiefern Referenzen zum Kanon die Atmosphäre einer Holmes Geschichte beeinflussen, komme aber immer wieder zu der Erkenntnis, dass eine angemessene Portion sich positiv auf den neuen Pastiche auswirkt.

Neben den guten Referenzen bietet uns Sherlock Holmes & The Christmas Demon aber noch ein wichtiges Element: Humor! Es gab zahlreiche Stellen, die mein Herz um Sherlock Holmes hochschlagen ließen und dem Pastiche eine grandiose Note verlieh. Wer kennt denn nicht das Schätzspiel Pass the Slipper, bei der man bei einer falschen Einschätzung den Slipper weitergibt? (S. 268). Natürlich gewinnt hier Holmes immer, da er niemals schätzt!

Oder als Watson und Holmes auf Mr Trebend treffen, muss Watson erstmal an seiner Haltung arbeiten:

“Quick, Watson. Look casual. No, not like that. Not so stiff. More natural. That’s better.” (S. 140)

Natürlich wird auch Watson durch seine Tätigkeit als Biograf reingelegt und belächelt:

“The time would come, surely, when the name John Watson MD was a fixture on every bookshelf.” (S. 215)

Ihr merkt schon an der schieren Masse an Zitaten, dass Sherlock Holmes & The Christmas Demon einiges anzubieten hat. Ich könnte hier noch weitere Beispiele und lustige Situationen auflisten.

Ihr merkt bereits an meiner Beschreibung und den Darstellungen, dass ich sehr von Sherlock Holmes & The Christmas Demon angetan bin. Für mich sind die Figuren der Geschichte komplex und verändern sich, die Legende um den Black Thurrick sehr spannend, mysteriös und düster (passend für die Weihnachtszeit) und die Referenzen auf einem sehr hohen Niveau. Mit einer Länge von 375 Seiten kommt der Plot gut in Fahrt, endet in einem spannenden Finale und einer “einfachen” und natürlichen Erklärung. Es gab wenige Passagen, die zu lang oder langatmig waren.

Ich hätte mir gewünscht, dass Sherlock Holmes & The Christmas Demon ein wenig mehr in der Baker Street spielt. Zwar beginnt die Geschichte in 221B, doch Sherlock Holmes & The Christmas Demon ist überwiegend ein Fall “außer Haus”. Dadurch, dass das Anwesen Fellscar Keep sehr atmosphärisch ist, fällt dieser Punkt nicht so ins Gewicht. Weiterhin gebe ich hier nur den Tipp, dass man als LeserIn am Anfang von Sherlock Holmes & The Christmas Demon gut aufpassen muss, damit man die Figuren und deren Konstellationen erfasst.

Für mich ist Sherlock Holmes & The Christmas Demon ein absolut hochwertiger Pastiche, der gut in die winterliche und weihnachtliche Jahreszeit passt. Ich hoffe inständig, dass es für deutsche Sherlock Holmes Fans eine deutschsprachige Ausgabe geben wird, denn es würde sich auf jeden Fall lohnen. Wer also dem Englischen mächtig ist, der wird mit Sherlock Holmes & The Christmas Demon einen Roman à la Hound of the Baskervilles mit Tiefgang vorfinden. Also macht euch auf einen Black Thurrick zu Weihnachten gefasst!

PS: Ich freue mich bereits auf den neuen Pastiche 2020 von James Lovegrove: Sherlock Holmes & the Beast of the Stapletons.

> Kurzversion

mysteriöse und dunkle Atmosphäre mit einer altwürdigen Legende

komplexe Figuren und deren Konstellationen

Sherlock Holmes Referenzen aus dem Kanon

o viele Figuren —> am Anfang aufpassen!

> Bewertung

(5/5)

Cover dient nur zur Ansicht und wurde nicht verändert.

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