Es ist einer der klassischen Diskussionen in der Welt von Sherlock Holmes: Wo ist denn nun genau die Verletzung von Dr. John H. Watson? Drei Beispiele aus dem Sherlock-Holmes-Kanon und drei verschiedene Möglichkeiten? Auf jeden Fall wurde Watson von einer Jezail Kugel verletzt. Aber wo denn nun genau? Eine kleine Spurensuche.

Die Fakten aus dem Kanon: STUD / SIGN / NOBL

In dem Sherlock-Holmes-Kanon finden sich drei grundlegende Aussagen von Dr. Watson über seine Verletzung aus Afghanistan. Bereits in A Study in Scarlet (1887) sagt Watson folgendes über seinen militärischen Hintergrund:

“(…) I served at the fatal battle of Maiwand. There I was struck on the shoulder by a Jezail bullet, which shattered the bone and grazed the subclavian artery.“ (Baring-Gould Vol. I, S. 143)

Ok, also eine Verletzung an der Schulter durch eine Jezail Kugel. Doch wie heißt es dann in dem nächsten Abenteuer The Sign of Four:

„What was I, an army surgeon with a weak leg and a weaker banking-account, that I should dare to think of such things?“ (Baring-Gould Vol. I, S. 620)

Also ein schwaches Bein, aber ist damit auch die gleiche Verletzung gemeint? Hier wird es schon schwieriger zwischen den Zeilen zu lesen. In The Noble Bachelor erläutert dann Watson noch folgendes zu seiner Verletzung:

„I had remained indoors all day, for the weather had taken a sudden turn to rain, with high autumnal winds, and the Jezail bullet which I had brought back in one of my limbs as a relic of my Afghan campaign throbbed with dull persistence.“ (Baring-Gould Vol. I, S. 281)

Was ein(e) Jezail Gewehr / Kugel ist.

Jezail Gewehr

Schaut man auf Wikipedia nach, dann zeigen zahlreiche Bilder die verschiedenen Gewehre mit Jezail Kugeln. Ein einfaches, kostengünstiges und oft handgemachtes Langarmgewehr, welches häufig im britischen Indien, Zentralasien und in Teilen des Mittleren Ostens verwendet wurde.

Dabei hat ein Jezail Gewehr einen langen Gewehrlauf und wurde für die Kriegsführung hergestellt. Daher hat ein Jezail Gewehr häufig ein größeres Kaliber als vergleichbare Gewehre aus den USA (die z.B. auch zum Jagen verwendet wurden). Bin hier ganz klar kein Waffenexperte und habe mir das nur schnell angelesen.

„The Jezail Bullet“ von 1966

Wie Anfangs erwähnt gibt es über die Verletzung zahlreiche Spekulationen in der sherlockianischen Welt. Im Jahr 1966 wurde in dem medizinischen Magazin The Practitioner ein Artikel zu The Jezail Bullet von W. B. Hepburn et al. geschrieben. Dieser Artikel wurde im gleichen Jahr im The Sherlock Holmes Journal veröffentlicht.

“The Jezail Bullet” 1966 (entnommen aus “The Grand Game” Vol. 2)

In The Jezail Bullet geht man zunächst der Frage nach, wo denn nun Watsons Verletzung ist:

„How on earth, then, are we to explain his unqualified statement in 1888, after ten years spent exclusively in the company of Sherlock Holmes that his wound was now in his leg?“ (The Grand Game Vol II, S. 68)

Die Autoren des Artikels zweifeln die medizinische Ausbildung von Dr. John H. Watson an. als general practitioner (Allgemeinarzt) hat man limitiertes Wissen und mittelmäßige Qualifikationen. Schon ein wenig heftig diese Aussage…

Weiterhin geben die Autoren Beispiele aus dem Kanon: Lady Carfax wurde mit Chloroform betäubt -> bekommt von Watson eine Äther Injektion. Fragt mich nicht, warum das schlimm sein soll (bin da kein Mediziner…)

Oder auch als Sherlock Holmes im Bett liegt und krank ist, nimmt Watson sofort an, dass der Tapanuli Fieber (The Dying Detective) hat.

Weiterhin geben die Autoren des Artikels The Jezail Bullet zwei Theorien, warum es unterschiedliche Verletzungen sind. Zunächst schlagen die Autoren vor, dass Watson in der Kindheit eine Hirnverletzung erlitten hat und daher nicht genau feststellen kann, wo seine Verletzung ist (brain damaged during a Rugby match in his youth / derived from Watson’s own descriptions of his two hallucinations).

Oder aber es gibt nicht nur eine Verletzung sondern sogar zwei. Vielleicht war Holmes an der zweiten Verletzung schuld? Watson muss ja so einiges einstecken, wenn er mit Holmes unterwegs ist.

Allgemein betrachtet finde ich den Artikel höchst spekulativ und merkwürdig. Aus meiner Sicht war es einfach Conan Doyle, der einen Fehler gemacht hat. Und ob die Verletzung nun an der Schulter oder im Bein ist, spielt für die Abenteuer eine geringfügige Rolle. Manchmal gehen diese Spekulationen einfach zu weit!

Nichtsdestotrotz kann man sich den Artikel The Jezail Bullet aus dem Jahr 1966 durchlesen und verschiedene Theorien präsentiert bekommen.


Quellen:


Zu weiteren SherlockSundays geht es hier.

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