Wenn ein Buch Die Wahrheit über Sherlock Holmes heißt, dann bedeutet es das andere Geschichten und Fakten über den Detektiv unvollständig sind und hier nun die richtigen Fakten erzählt werden. Der Handlanger Colonel Sebastian Moran aus Das leere Haus (EMPT) hat Unterlagen von Professor James Moriarty gesammelt, zusammengestellt und als ein Notizbuch verpackt.

Die Bühne der beiden Rivalen: London

Schlägt man das kleine handliche Büchlein auf, so fällt einem sofort eine kleine Karte auf, die das Zentrum Londons zeigt: Die Bühne von Sherlock Holmes und seinem Erzrivalen Prof. James Moriarty. Die aufklappbare Karte enthält die wichtigsten Orte aus den Geschichten (z.B. Diogenes Club, Scotland Yard, Bart’s Krankenhaus oder die Criterion Bar).

Die Karte selbst ist im alten viktorianischen Stil gehalten, mit Nummern für die Orte versehen und ist gekennzeichnet als: “Mein London: Die große Kloake”. Ein erster Hinweis auf die Sprachgestaltung dieser Aufzeichnungen.

Der Ansatz des Buches

Das Buch Die Wahrheit über Sherlock Holmes geht davon aus, dass fast alle Verbrechen, alle Fälle und Abenteuer von Sherlock Holmes von dem Erzrivalen Prof. James Moriarty geplant und ausgeführt wurden. Fast jedes Verbrechen, fast jedes Ereignis oder Rätsel wurde von Moriarty inszeniert! Mit diesem Hintergedanken muss man an dieses Buch rangehen und von vornherein akzeptieren.

Um also die Abschnitte des Buches zu verstehen, braucht man das Wissen und die Inhaltsangaben des originalen Kanons von Sir Arthur Conan Doyle. Sonst wird man die kleinen Details überhaupt nicht verstehen bzw. erkennen. Hier sind also absolute Sherlock-Nerds gefragt!

Wenn man aber nun die Einzelheiten der Geschichten und Abenteuer in und auswendig kennt, so wirken die Erklärungen und Ansätze der Verbrechen durch Moriarty absurd und unglaubwürdig.

Einzelne Kurzgeschichten des Kanons sind in dem Notizbuch von Moriarty durch “Operationen” gekennzeichnet und erklärt. Ich möchte dies an zwei Beispielen deutlich machen.

Die Schlangenmaschine und eine Tieftauchkapsel

Die Kurzgeschichte The Speckled Band wird in den Notizen als “Option Schlangenbiss” bezeichnet und die Schlange als “Sumpfotter Typ 1” bezeichnet. Eine Schlange mit Giftpumpen, Getriebe, Kolben und Temperaturfühlern wurde durch Moriarty als Maschine konstruiert. Grimesby Roylott, der eigentliche Bösewicht der Geschichte, war nur ein Handlanger Moriartys und die Stoner-Zwillinge gehörten ebenfalls dazu. Moriarty schreibt dazu in seinen Akten: “Holmes hielt das Ding für echt.” Eine Roboter-Schlange, die Gift durch zwei Düsen versprüht und durch Kolben und Getriebe angetrieben wird?

Für Das Letzte Problem hat sich Moriarty einen besonderen Fluchtweg ausgesucht: eine Tieftauchkapsel! Durch den Bau dieser Kapsel hat Moriarty überlebt und kann so weiter seine Machenschaften in London weiterführen ohne das jemand merkt, dass er noch lebt. In 6 Tagebucheinträgen schildert Moriarty sein Erlebnis, seine Erholung einer Gehirnerschütterung durch den Fall und sich nach Papua Neuguinea absetzt. Nach den Einträgen zeigt sich Moriarty auf einem Foto mit einem prächtigen buschigen Bart zwischen Ureinwohnern.

Einige “Operationen” aus dem Buch

Weitere Erklärungen des Kanons in den Notizen von Moriarty finden sich durch folgende “Operationen” in dem Notizbuch wieder:

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der Themen aus dem Buch. Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Anspielungen und Fälle, in die Moriarty verstrickt gewesen sein soll.

Ein weiterer Aspekt dieses Buches ist die Tatsache, die man annehmen muss, dass Sir Arthur Conan Doyle und Prof. James Moriarty leben. Natürlich trifft dies auf Conan Doyle zu, jedoch bei dem Erzrivalen nicht. Moriarty wird in diesem Buch als “echte” Person behandelt.

Gestaltung und Design des Buches

Große Pluspunkte sammelt das Buch in der Gestaltung und das generelle Design der Seiten. Das Konzept dieses Notizbuches ist stimmig, die Seiten (künstlich) verfärbt, mit Brandlöchern versehen. Zufällige Tintentropfen macht das Buch sehr ansprechend. Es gibt viel zu entdecken, sei es nun die ausklappbare Karte von London, die zahlreichen Tagebucheinträge von Moriarty oder Illustrationen der Konstruktionen, die liebevoll gestaltet sind. Büroklammern oder Tackernadeln simulieren die wirre Zusammenstellung der Notizen. Manchmal fühlt man sich aufgrund der Vielzahl der Bilder und überlappenden Illustrationen erschlagen, die aber das Entdecken anregen soll.

Kleines Manko ist die Schriftgröße und Schriftart, die eine Handschrift sein soll, die jedoch viel zu klein und teilweise unleserlich ist.

Fazit

Die Erwartungen an dieses Buch müssen von vornherein klar sein. Das Buch muss und soll als Gimmick für eine mögliche Erklärung der Verbrechen Moriartys verstanden werden. Die Erwartung sollte als “Fun-Buch” angesehen werden, ohne Anspruch und ohne Realität des Kanons. Die Interpretation, Phantasie und die kreativen Erklärungsversuche sind, wenn man den Kanon daneben stellt, umplausibel und unglaubwürdig. Nahezu absurd.

Es wurde ein Prof. James Moriarty gezeichnet, der nichts mit dem Bösewicht nach Conan Doyle zutun hat. Formulierungen und die Sprache der Einträge würden nie so von Moriarty stammen.

All diese Kritik kann zurückgenommen werden, wenn man mit der Einstellung herangeht, dass dieses Buch auf kreative und lustige Weise versucht mit dem Kanon zu spielen.

Diese Anspielungen sind lustig, aber nie erst gemeint. Für ein grobes Durchblättern und Stöbern ist das Buch Die Wahrheit über Sherlock Holmes gut geeignet, für mich als Fan des Kanons aber nur als Gimmick für die Sammlung zu gebrauchen, auch wenn die Präsentation und das Design liebevoll und kreativ gestaltet worden ist. Also nur für absolute Sherlock Holmes Fans geeignet!

 

(2 von 5)


Quellen:


Weitere Reviews findest du, wie immer, hier.

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