Wie sieht Sherlock Holmes eigentlich aus? Deerstalker? Inverness Cape? Calabash Pfeife? Sherlock Holmes wurde bereits viel interpretiert, verändert oder auch modernisiert. Klinefelter geht mit seinem „Porträt“ und „Profil“ den Ursprüngen nach und schaut sich die Klassiker der Illustrationen an. Doch nicht nur Paget und Steele gibt es zu entdecken.

> Über den Autor

Ich muss ehrlich zugeben, aber Walter Klinefelter ist mir bei meinen Recherchen noch nie begegnet. Laut der Rückseite des Buches ist Klinefelter ein long-time devotee of Holmes and stalwart Baker Street Irregular und damit ein Sherlockianer, wie er im Buche steht. Auch zu seiner Biografie habe ich bis auf diese wenigen Informationen kaum etwas gefunden. Nun habe ich aber auch kein Zugang zum Baker Street Journal etc, um weitere biografische Verläufe recherchieren zu können.

> Weitere Werke des Autors

Bezüglich der weiteren Werke von Walter Klinefelter gibt es im Bezug auf Sherlock Holmes nur zwei nennenswerte Werke. Auf der Rückseite von Sherlock Holmes in Portrait and Profile wird bereits das bekannteste Werk von Klinefelter angepriesen:

Ein weiteres Werk wäre noch Origins of Sherlock Holmes (1983). Leider kann ich zu beiden Büchern nichts weiter berichten, da ich sie leider nicht habe und noch nicht in den Händen gehabt habe. Vielleicht ein nächstes Buch für die Marylebone Library in London?

> Inhaltliche Zusammenfassung 

„Currently, no doubt, the picture of Sherlock Holmes in most people’s minds is that of Basil Rathbone; but that was not always so. The evolution of that famous profile in the deerstalker cap, smoking a curved pipe, is a story in itself. This picture account of Holmes’ illustrators traces the history of Holmesian portraiture in England the United States over a period of nearly sixty years.

Not every illustrator saw Holmes as Dr. Watson described him. ‚In his height he was rather over six feet, and so excessively lean that he seemed to be considerably taller. His eyes were sharp and piercing … and his thin, hawk-like nose gave his whole expression an alertness and decision.‘

In spite of this authoritative description, Holmes’ first illustrator, D. H. Friston, portrayed him in 1887 as a gaudily dressed, side-whiskered dandy. Even more heretical were the crude sketches by Conan Doyle published in 1888. His most famous English illustrator, Sidney Paget, started to picture Holmes as we know him. Frederick Dorr Steele’s drawings of Holmes span almost forty years, from a series in Collier’s Weekly in 1903 to an advertisement for Basil Rathbone’s Hound of the Baskervilles in 1939.

Both scholarship and devotion have produced this treasure-trove of 65 illustrations and the story-by-story-account that accompanies them. As Vincent Starret says, ‚scholarship aside, it is … a fascinating research that admirers of the Master on all levels will hail with satisfaction.‘

Vieles sollte dem Sherlock-Holmes-Fan bekannt sein: Sidney Paget’s bekannte Illustrationen oder das amerikanische Pendant Frederic Dorr Steele. Doch Sherlock Holmes in Portrait and Profile geht wesentlich tiefer und geht detailliert auf die Anfänge der Illustrationen ein. Wie bereits in dem Klappentext erwähnt ist ein D. H. Friston weniger bekannt, hat aber die ersten Illustrationen in A Study in Scarlet gezeichnet.

Sherlock Holmes in Portrait and Profile geht chronologisch nach den einzelnen Romanen und Kollektionen durch. Selbst auf einzelne Kurzgeschichten wird näher eingegangen, wenn es sich um „bekannte“ Illustrationen handelt (bspw. The Silver Blaze mit dem Zug). Inhaltlich betrachtet spiegelt Sherlock Holmes in Portrait and Profile ein Art Wörterbuch als Fließtext wider. So werden z.B. die Illustrationen von Charles Doyle genannt (6 Illustrationen für A Study in Scarlet) und als totales Disaster bezeichnet. Oder auch ein George Hutchinson, der für eine spätere Ausgabe von STUDY 40 (!) Illustrationen gezeichnet hat.

Klinefelter setzt aber getreu nach dem Titel des Buches einen klaren Fokus auf Sherlock Holmes. Bei jedem Illustrator, seiner Anzahl an Illustrationen gibt er auch immer die Anzahl der Illustrationen an, in der Sherlock Holmes gezeichnet wurde. Im Fall von George Hutchinson hat er insgesamt 40 Illustrationen gemacht, wovon 11 Illustrationen mit Sherlock Holmes sind.

Klinefelter fokussiert sich auch auf die „kleinen“ und unbekannten Illustratoren. So hat ein Charles Kerr für The Sign of Four einen Holmes mit einem Schnurrbart gezeichnet.

Neben der Chronologie der Kurzgeschichten setzt Sherlock Holmes in Portrait and Profile auch kleinere Schwerpunkte auf Figuren aus dem Kanon. So finden Moriarty oder auch Mycroft Holmes ebenfalls Platz in dem Buch.

Insgesamt betrachtet findet man also inhaltlich gesehen eine Fülle an Namen (Illustratoren), viele Zahlen und Bewertungen zu den Illustrationen durch Walter Klinefelter.

> Besonderheit: Die Einleitung von Vincent Starrett

Eine große Besonderheit von Sherlock Holmes in Portrait and Profile kann ebenfalls in der Einleitung von dem ehrwürdigen Vincent Starrett gesehen werden. Der berühmte Sherlockianer reflektiert das ikonische Bild von Sherlock Holmes:

„We all know what a detective looks like. He looks like Sherlock Holmes” (p. VII)

Ein wahres Wort. Fragt man Nicht-Sherlock-Holmes-Fans, wie ein Detektiv aussieht, dann hat nahezu jeder ein Bild von Sherlock Holmes im Kopf. Aber höchstwahrscheinlich eins mit Deerstalker.

Auch das Sammeln eines Sherlock-Holmes-Fans wird von Starrett angesprochen:

„No collection of Sherlock Holmes ever will be complete, but half of the fun is in the search.“ (p. VII)

Auch hier in dem zweiten Zitat spricht Starrett wahre Worte an. Niemand wird je alles besitzen.

> Schreibstil & Einordnung

Ich habe den Schreibstil von Walter Klinefelter als sehr angenehm empfunden. Allgemein würde ich den Schreibstil als nüchtern (nicht negativ gemeint) beschreiben. Ohne Sprachbilder, ohne ausschweifende Wörter oder verschachtelte Sätze gelingt es Klinefelter die Fakten und Zahlen der Illustrationen zu beschreiben. Der Stil mag jetzt nicht „spannend“ oder „aufregend“ sein, soll aber auch nicht das Ziel des Buches sein. Sherlock Holmes in Portrait and Profile möchte detailliert und umfassend die Darstellung von Sherlock Holmes in Illustrationen aufzeigen und wenig Lücken hinterlassen. Absolut positiv gemeint, jedoch sollte man sich darauf einstellen.

Sherlock Holmes in Portrait and Profile bietet auch einige nennenswerte Zitate, um den Schreibstil und die Leidenschaft von Klinefelter darzustellen. Ein zusammenfassendes Zitat vieler Illustrationen (aus Sicht von Klinefelter schlechte Illustrationen) lässt sich hier anführen:

„(…) emphasis on the costumes rather than characterization“ (S. 86)

Klinefelter argumentiert bei vielen Illustrationen, dass sich viele Künstler eher auf die Kostümierung von Sherlock Holmes fokussieren und nicht nach der Charakterisierung durch Watson. Dadurch kommt es zu einer Schieflage in der Darstellung. Auch die häufige Anlehnung an William Gillette verstärkt die ikonische Darstellung mit z.B. der Calabash Pfeife. Denn viele Illustratoren (z.B. Charles Raymon Macauley oder natürlich auch Frederic Dorr Steele) nahmen ihre Inspirationen von den Theaterdarsteller William Gillette.

Klinefelter ist, aus meiner Sicht zu Recht, ein Fan von Sidney Paget:

„At its best, the result of Paget’s efforts always was recognizable as a portrait of Holmes.“ (S. 45)

Klinefelter sieht die Illustrationen aus The Solitary Cyclist und The Abbey Grange als die besten von Sidney Paget an.

Nach vielen Sherlockianern ist aber auch Harry C. Edwards’ Illustrationen zu The Final Problem ein „masterpiece“ (S. 45):

“Of the eight which picture Holmes only one is more than exceptionally good, and that one is a masterpiece of Holmesian portraiture“ (S. 45)

Und da kann ich Klinefelter definitiv zustimmen – absolut eine genial Illustration, auch wenn Holmes einen Deerstalker trägt.

Laut Klinefelter und vielen Sherlockianern ein “Masterpiece”

Ebenfalls eine tolle Hommage des Deerstalkers gibt Klinefelter am Ende seines Buches. Frank Wiles (der ebenfalls Illustrationen für The Valley of Fear zeichnete) hat die letzten 13 Illustrationen mit den letzten 10 Porträts von Holmes gezeichnet. Klinefelter erläutert, dass in Shoscombe Old Place der Deerstalker von Holmes erstmalig seit der Sammlung The Return of Sherlock Holmes in dem The Strand Magazine erscheint.

„Holmes made his exit wearing his deerstalker.“ (S. 87)

Na, wenn dass keine symbolische Kraft hat, dann weiß ich auch nicht.

Sherlock Holmes in Portrait and Profile richtet sich an die anspruchsvollen Sherlock-Holmes-Fans, die einfach mehr über die Illustrationen rund um Sherlock Holmes erfahren wollen. Dies wird auch sprachlich am Anfang deutlich, als Klinefelter auf Ward, Lock & Company zu sprechen kommt:

“(…) well known story and does not call for retelling here.“ (S. 2)

Klinefelter geht also von einem Vorwissen aus. Dementsprechend gibt das Buch auch keine langen, unnötigen Inhaltsangaben der Abenteuer, sondern nennt nüchtern Fakten und Zahlen über die verschiedenen Illustratoren.

Zunächst lässt sich also der Detailreichtum als sehr positiv hervorheben. Klinefelter nennt nicht nur die Personen, deren Anzahl an Illustrationen, sondern auch wie viele davon Sherlock Holmes darstellen. Dabei lernt man nicht nur Sidney Paget & Frederic Dorr Stelle näher kennen, sondern erfährt Namen, von denen ich noch nie gehört habe (z.B. Robert M. Hoof oder auch P. Naumann). Das war auf jeden Fall eine Bereicherung für mich. Geholfen hat dabei auf jeden Fall die chronologische Abfolge des ganzen Buches. Wenn man den Verlauf der Veröffentlichungen kennt, dann weiß man immer in welchem Jahr man ungefähr steckt. Jedoch braucht man dieses Vorwissen…

Weiterhin hat mir der Fokus des ganzen Buches gefallen. Das Buch heißt Sherlock Holmes in Portrait and Profile und dementsprechend orientiert sich Klinefelter immer an dem Detektiv. Die Darstellung Holmes steht im Vordergrund und nicht von Watson, Mycroft oder Moriarty. Klinefelter geht dann immer zwischen dieser Diskrepanz zwischen „Kostümierung“ und „Charakterisierung“ aus. Entweder die stereotypische Darstellung mit Deerstalker oder die authentische „Wortbeschreibung“ durch Watson in A Study in Scarlet. Absolut gelungen.

Und natürlich, davon muss man ausgehen, gibt es zahlreiche Illustrationen. Keine Überraschung, jedoch ist die Auswahl äußert gelungen. Immer wenn es masterpieces laut Klinefelter sind, dann gab es auf der nächsten Seite die dementsprechende Illustration. Und nicht nur als Kleinformat, nein auch mal als ganze Seite. Hervorzuheben sind da natürlich Sidney Paget’s Reichenbach Fall Zeichnung oder Steele’s Zeichnung von The Lion’s Mane (Sherlock mit gesenktem Kopf).

Was mir nicht so gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass es keine Überschriften oder Kapitel gibt. Der gesamte Text ist wie ein Fließtext und wird an wenigen Stellen nur durch ein paar Sternchen getrennt. Hier hätte man vielleicht nach den einzelnen Kollektionen trennen können. Oder vielleicht eine Trennung zwischen britischer und amerikanischer Veröffentlichung. Häufig wird beide Sichtweisen einfach absatzweise niedergeschrieben. Dadurch wirkt das gesamte Buch ein wenig unstrukturiert und verwirrend. Manchmal fühlte sich Sherlock Holmes in Portrait and Profile dadurch auch wie ein Nachschlagewerk an. Für ein Nachschlagewerk ist es dafür aber zu unstrukturiert.

Insgesamt betrachtet ist Sherlock Holmes in Portrait and Profile eine tiefgründige und faktenreiche Bereicherung für jeden Sherlock-Holmes-Fan. Auch wenn das Buch an vielen Stellen unstrukturiert ist, bietet es zahlreiche Künstler und Zahlen zu dem Meisterdetektiv. Und natürlich ist Illustrationen sind klassisch und immer passend ausgewählt.

Die zumeist einfach englische Sprache macht es auch für viele Sherlock-Holmes-Fans möglich sich in dem Buch zu verlieren. Definitiv eine klare Empfehlung!

> Kurzversion

+ chronologische/r Erzählung und Aufbau

+ Details, Details und noch mehr Details (auch zu unbekannteren Künstlern!)

+ viele passende Illustrationen

keine Überschriften oder Kapitel wirken doch sehr unstrukturiert

> Bewertung

   

(4 von 5)

Cover dient nur zur Ansicht und wurde nicht verändert. / Illustrationen (Public Domain)

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