Ach, schon wieder ein Sherlock-Holmes-Wörterbuch? Wie viele braucht man denn noch? Als Sammler natürlich nie genug, doch auch dieses Wörterbuch geht in eine andere Richtung: ein biographisches Wörterbuch!

> Über den Autor

Christopher Redmond hat einige aktuelle Klassiker in der Welt von Sherlock Holmes geschrieben. Darüber hinaus hat Redmond die Internetseite sherlockian.net am 22. November 1994 gegründet. In einer Zeit, in der kaum jemand Internet hatte. Es war die einzige sherlockianische Webseite in der Welt, die damals nur einige Links beinhaltete. Im Jahr 2016 gab Redmond die Seite an die Michigan State University ab. Ein großes Team an Sherlockianern kümmert sich nun um die Seite.

Redmond engagiert sich in vielen Sherlock Holmes Gesellschaften, doch die Bootmakers of Toronto aus Kanada ist seine “Heimat-Gesellschaft”. Für 12 Jahre war er der Editor des Magazins Canadian Holmes.

Nach der Bibliographie zu urteilen, hat Christopher Redmond noch ein weiteres Handbuch zu Sherlock Holmes verfasst: A Sherlock Holmes Handbook (1993). Weiterhin ist Redmond an zahlreichen weiteren Büchern als Editor oder Autor beteiligt:

> Inhaltlicher Überblick

Die Einleitung von Chris Redmond verrät uns einige grundlegende Informationen über Lives Beyond Baker Street. Die ursprüngliche Idee und Arbeit basierte auf der Tatsache, dass im Sherlock Holmes Kanon zahlreiche (historische) Persönlichkeiten genannt werden bzw. in dieser Zeit gelebt haben. Hier bezieht sich Redmond aber nicht fiktionale Figuren aus dem Kanon, sondern auf reale Personen. Ein feiner aber wichtiger Unterschied im Vergleich zu anderen Wörterbüchern, die sich den Kanon im Detail anschauen. Doch welche Personen können in Lives Beyond Baker Street vorkommen? Redmond unterscheidet hier in seiner Einleitung einige Beispiele. So können es Personen sein, die Watson in der Zeitung gelesen hat. Personen, die Holmes auf der Straße begegnet sind oder Personen, die das viktorianische Zeitalter geprägt haben.

Redmond gibt zu, dass in diesem Wörterbuch vornehmlich Adlige, Ritter und reiche Persönlichkeiten vorkommen, auch wenn London aus einer Vielzahl von Persönlichkeiten bestand. Doch nicht nur Personen aus Großbritannien sind vertreten, da auch bereits in der viktorianischen Zeit London als vernetzte Stadt galt.

Die ursprüngliche Idee war es, dass jeder Biografieeintrag nicht mehr als 100 Wörter beinhalten sollte. Doch diese Restriktion stellte sich als lächerlich an! Nichtsdestotrotz sind die Einträge kurz und knackig. Interessanterweise sind die Biografien nicht chronologisch von A-Z sortiert, sondern nach dem Geburtsjahr. Ich war sehr skeptisch, da man nicht nach dem Namen suchen konnte. Jedoch findet man am Ende von Lives Beyond Baker Street einen Index mit den Namen. Diesmal chronologisch von A-Z. Ein zusätzlicher Schritt, wenn man einen bestimmten Namen im Kanon gefunden hat und nun sucht.

Doch nun zu einigen Beispielen, denn darauf wartet ihr sicher! Dazu gibt es drei Beispiele, die ich hier beispielhaft eingescannt habe. Daran möchte ich euch die Struktur ein wenig erläutern.

Beispiel 1 (Seite 105)

In dem ersten Beispiel von Mark Twain erkennt man zunächst, dass der Name fettgedruckt ist. Gelungen finde ich die einfache und kompakte Beschreibung der Biografie. In diesem Fall werden die bekannten Werke von Mark Twain aufgelistet und ein kleiner Bezug zu Sherlock Holmes hergestellt (1896 Comic Tom Sawyer, Detective)

Beispiel 2 (S. 129)

In dem zweiten Beispiel von Charles Augustus Howell sind dann noch weitere Namen fettgedruckt. Das soll uns LeserInnen signalisieren, dass die Namen ebenfalls in dem biografischen Wörterbuch vorhanden sind. Eine einfache aber gelungene Idee. Kleine Werbung am Rande: #163 SherlockSunday beschäftigte sich auf meinem Blog bereits mit Charles Augustus Howell. Leider sieht man in diesem Beispiel, dass (erneut) wenig Referenzen zu Sherlock Holmes gezogen werden. Lediglich Charles Augustus Milverton wird hier aus CHAS genannt.

Beispiel 3 (S. 203)

So ist es leider auch im dritten Beispiel von Sir James Frazer. Hier gibt es, so weit ich erkennen konnte, keine Referenz zu Sherlock Holmes. Es wird hier lediglich ein kurzer Abriss über Frazer dargestellt, die vornehmlich aus Wikipedia stammen. Bei einigen Einträgen gibt es, wie z.B. hier bei Howell und Frazer ein Bild dazu.

Was mir sofort aufgefallen ist, dass es nur wenige Hinweise zu Sherlock Holmes gibt. Natürlich handelt es sich um ein Wörterbuch von realen Personen aus der Zeit von Sherlock Holmes, doch hier habe ich einen detaillierten Bezug zu Sherlock Holmes erwartet. Gerade da Chris Redmond in seiner Einleitung einen klaren Bezug zu Sherlock Holmes hergestellt hat (z.B. Namen aus der Zeitung, die Watson liest). Die mag es sicherlich in Lives Beyond Baker Street geben, doch beim Lesen vieler Einträge findet man hier wenig Bezüge. Natürlich heißt der Titel auch Beyond Baker Street (also über Baker Street hinaus).

> Schreibstil

Wie es Redmond in seiner Einleitung beschrieben hat, sind seine Einträge kurz und bündig und liefern einen guten Überblick über die reale Person. So werden z.B. in dem Beispiel von Mark Twain die wichtigsten Werke von dem Autor genannt. Gelungen ist auch die “Stimme” von Redmond, da viele Einträge auch eine persönliche Note beinhalten. Viele (direkte) Zitate stammen aus Wikipedia-Einträgen. Wer schnell einmal eine Person aus der viktorianischen Zeit von Sherlock Holmes nachschlagen möchte, der findet hier einen einfachen und bündigen Schreibstil. Auch insbesondere empfehlenswert für Sherlock-Holmes-Fans, die nicht unbedingt der englischen Sprache mächtig sind. Zwar nicht super einfach, aber gut verständlich mit wenigen Fachbegriffen.

Vielleicht nicht unbedingt mit dem Schreibstil zu tun, aber auf jeden Fall erwähnenswert ist, dass ich keinerlei Quellenverzeichnis am Ende gefunden habe. Auch wenn Redmond in seiner Einleitung schreibt, dass er Wikipedia und biography.com. Auch einige Standardwerke wie Jack Tracy’s Encylclopedia (eine Rezension hier auf dem Blog gibt es auch) werden genannt. Ein Quellenverzeichnis hätte ich mir aber gerne gewünscht.

Lives Beyond Baker Street: A Biographical Dictionary of Sherlock Holmes’s Contemporaries kann ein sehr informatives Wörterbuch sein. Möchte man Personen aus der Zeit von Sherlock Holmes und Dr. Watson kennenlernen, die wichtigsten Informationen gebündelt und die Person zeitlich eingeordnet bekommen, dann stellt Redmonds biografische Zusammenstellung ein gelungenes Werk dar.

Hier muss man definitiv mit einer gewissen Erwartung an das Buch herangehen. Ein klarer Bezug zu Sherlock Holmes fehlt an vielen Stellen, welches aber durch den Titel (beyond) erkennbar ist. Es geht hier also nicht um den Kanon selbst oder jede Person, die im Kanon genannt wird. Es geht hier klar um Personen, die in der Zeit von Sherlock Holmes gelebt haben. Seien sie nun im Kanon genannt oder in den meisten Fällen auch nicht. Jedoch weiß man

Lives Beyond Baker Street einzuordnen, dann kann das Buch ein guter Begleiter neben den Sherlock Holmes Wörterbüchern von Jack Tracy oder auch Orlando Park sein. Die beiden genannten Autoren beziehen sich aber direkt auf den Kanon, während Redmond einen übergeordneten Blick einnimmt. In der Kombination auf jeden Fall wertvoll und ergänzend.

Ich hätte mir, wenn Referenzen zu Sherlock Holmes hergestellt werden, dass auch ein Verweis genannt wird. Außerdem hätte ich mir eine chronologische Sortierung von A-Z gewünscht.

Für den absoluten Sherlock Holmes Fan ist Lives Beyond Baker Street auf jeden Fall eine Anschaffung wert. Wer bereits die Standardwerke von Jack Tracy (Encyclopedia Sherlockiana) und/oder von Orlando Park (The Sherlock Holmes Encyclopedia) besitzt, der kann durch dieses Werk sein Wissen um weitere Persönlichkeiten ergänzen. Ich kann mir gut vorstellen, kann es für neue Pastiches ein hilfreiches Werkzeug sein kann, um Personen aus der Zeit von Sherlock Holmes kennenzulernen. Wie für alle Wörterbücher gilt auch hier, dass es ein Nachschlagewerk ist und so sollte man auch an Lives Beyond Baker Street herangehen.

> Kurzversion

kurze und bündige Einträge zu interessanten Persönlichkeiten

einfacher Schreibstil mit einer persönlichen Note von Chris Redmond (keine Wissenschaft mit Fachsprache)

– ein paar mehr Holmes-Referenzen hätten es sein können!

– Quellenverzeichnis und Sortierung (nicht so schwerwiegend…)

> Bewertung

 

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Cover dient nur zur Ansicht und wurde nicht verändert.

Quellen:

Weitere Reviews findest du hier.

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