Nach den Erfolgen von Mycrofts Auftrag und Tödlicher Stoff erscheint nun der dritte Band des modernen Sherlock Holmes aus dem Oktober Verlag. Mit aktueller Brisanz und Regierungskrisen versucht Beate Baum den traditionellen Detektiv in die heutige Zeit zu versetzen. Kann auch der dritte Teil überzeugen?

> Weitere Werke der Autorin

Aus der Reihe von Sherlock Holmes gibt es von Beate Baum bereits folgende Werke und auch gleichzeitig Rezensionen auf diesem Blog:

>Inhaltliche Zusammenfassung (Spoilerfrei)

Raubmord? Oder steckt mehr hinter dem Tod von Sylvia Clark? Eine Spur führt Sherlock Holmes zu dem Arbeitgeber der jungen Frau, der sich in der Corona-Pandemie auf umstrittene Weise bereichert hat, eine andere betrifft den Geliebten des Mordopfers. Und was ist mit der illegal nach England geschleusten Haushaltshilfe? Geheimnisse verweisen auf höchste Regierungskreise, zu denen Sherlock keinen Zugang hat. Und sein vormals allmächtiger Bruder Mycroft wurde ins Abseits manövriert. Zeit für die ungleichen Brüder, sich zusammenzuraufen und die Verdächtigen herauszufordern. (Klappentext)

Wenn Beate Baum einen neuen Sherlock-Holmes-Krimi schreibt, dann gibt es immer übergreifende Themen, die mit dem klassischen Detektiv Sherlock Holmes und Dr. Watson verbunden werden. In Mycrofts Auftrag war es die Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/2009 und in Tödlicher Stoff der Brexit und Obdachlosigkeit.

Für Mycrofts Comeback könnten die übergreifenden Themen nicht aktueller sein und könnten nicht besser in die derzeitige Situation passen: Corona-Pandemie, Maskenskandale rund um FFP2-Masken und das Gesundheitssystem NHS. Laut dem Klappentext kann man auch noch eine weitere Debatte erkennen: Flüchtlingspolitik. Achja, die Auswirkungen des Brexits schwingen natürlich auch (immer noch) mit. Wie ihr bereits an den großen Themen sehen könnt, kommen in Mycrofts Comeback inhaltlich einige Kontroversen zusammen und insgesamt betrachtet stellt sich der dritte Band als ein sehr politisch-aufgeladenes Werk heraus.

Wie bereits auch in den letzten Bänden sind die Nachzeichnungen der Hauptstadt London detailverliebt, authentisch und liebevoll umgesetzt. Auch eine weitere Lieblingsstadt von Beate Baum hat es in den dritten Teil geschafft: Liverpool. Auch hier (ich würde es annehmen) sind die Nachzeichnungen der Stadt detailliert beschrieben und eigene Lieblingsorte innerhalb der Stadt eingebaut worden.

> Hauptfiguren

Wie in den ersten beiden Werken aus der Sherlock-Holmes-Reihe sind die Welt und die Figuren Sherlock Holmes und Dr. Watson in die Neuzeit versetzt worden. Ähnlich wie in der BBC-Sherlock Serie wurden Eigenarten der beiden Freunde gut in die Neuzeit übersetzt. Soziale Medien und Smartphones sind ständige Begleiter geworden. Auch in dem dritten Teil ist die Mischung zwischen dem Doylean (traditionsbewussten) und modernen Anteilen gut gelungen.

Ausgangspunkt in dem Pastiche ist der Tod Sylvia Clark. Bereits am Anfang erkennt man die Corona-Pandemie und ihre Folgen, die sich in der Person Anastasia deutlich macht. So werden typische Symptome erkennbar und John macht folgende Diagnose:

“Das wäre eine typische Langzeitfolge von Covid 19. Aber ich bin kein Facharzt.” (S. 15)

Ohne hier inhaltlich und von den Personen her zu viel zu spoilern, verdichtet sich das Geflecht an verschiedenen Figuren in dem Pastiche. Es kommen mysteriöse Mitarbeiter von Shelter Meds dazu, die in einen Maskenskandal verwickelt sind. Außerdem gibt es stellvertretend einige Flüchtlinge aus dem osteuropäischen Raum, die die Dramatik und Lebenssituation (z.B. Wohnungssituation und Arbeitssituation) überzeugend nachzeichnen. Aber auch hier bleiben die Figuren meist in ihren zugewiesenen Rollen und es bleiben mir nur wenige Figuren aus dem dritten Teil in Erinnerung. Dies ist für mich persönlich immer ein Indikator, ob Figuren mich nachhaltig inspiriert haben.

> Schreibstil nach Conan Doyle

Der Schreibstil ist definitiv als sehr flüssig und einfach zu bezeichnen und als LeserIn findet man sich schnell zurecht. Die (an manchen Stellen) Sperrigkeit und Nüchternheit eines Conan Doyles Abenteuers sind nur bedingt zu erkennen und kann hier eher als leicht zu lesene Krimikost eingeordnet werden.

Aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine moderne Interpretation und um Anlehnungen an die klassischen Abenteuer handelt, wäre ein exakter Schreibstil nach Arthur Conan Doyle nur in Ansätzen passend. Somit passt der Schreibstil zu einer modernen Interpretation. Nichtsdestotrotz kommt man als Sherlockianer und Enthusiast mit einigen Referenzen zum Kanon auf seine Kosten. Ich habe, wie bereits in den Teilen zuvor, sowohl die Atmosphäre und die Figuren Sherlock Holmes und Watson sofort erkannt und die (moderne) Welt von Sherlock Holmes wirkt für mich authentisch.

Der dritte Band Mycrofts Comeback ist ein würdiger und überzeugender Nachfolger der ersten beiden Bände und führt die Qualität sowohl inhaltlich als auch sprachlich konsequent fort. Man sollte sich bewusst sein, dass es in vielen Teilen politisch-aktuelle Themen anspricht und brandaktuell ist. Für mich persönlich ist die Kombination aus brandaktuellen Themen und die Verbindung mit unserem Lieblingsdetektiv Sherlock Holmes ein Markenzeichen von Beate Baum geworden. Man sollte aber keinen “traditionellen” Krimi nach Agatha Christie (Familiendramen, Erbstreitigkeiten etc…) erwarten. An manchen Stellen haben mir Spannungsbögen gefehlt, die Mycrofts Comeback ein wenig in die Längen zogen (insbesondere in der Mitte des Buches). Jedoch bleiben am Ende des Pastiches keine Fragen offen, auch wenn natürlich die politisch-brisanten Themen nicht endgültig beantwortet werden können.

Hat man bereits die ersten beiden Teile von Beate Baum gelesen, dann kann man ohne Bedenken direkt den dritten Band kaufen. Auch als Neuling (sowohl in der Welt von Sherlock Holmes, als auch in der Trilogie) ist Mycrofts Comeback unabhängig genug. Wer auf politisch-aktuelle Kontroversen steht und dabei noch unseren Lieblingsdetektiv Sherlock Holmes bei seinen Deduktionen und Ermittlungen erleben möchte, der wird hier definitiv gut unterhalten werden.

> Kurzversion

+ politisch-brisante Themen wie Corona-Pandemie und Maskenaffäre

+ flüssiger, leichter Schreibstil

– in Teilen fehlende Spannungsbögen

o Figuren sind in Teilen in ihren zugewiesenen Rollen “gefangen” und könnten sich differenzierter entwickeln

> Bewertung

  

4/5

Vielen lieben Dank an den Oktober Verlag und an die Autorin Beate Baum, die mir bereits zum Veröffentlichungsstart ein Exemplar zugeschickt haben. Dies beeinflusst natürlich nicht meine Bewertung und Kritik.

Cover dient nur zur Ansicht und wurde nicht verändert.

Weitere Reviews findest du hier.

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