Die Rolle der Toten hört sich schon mal spannend und mysteriös an. Eine ägyptische Rolle, Spiritualismus und die Klientin Miss Catriona Andrews: eine überzeugende Mischung für ein gutes Abenteuer? Eines kann ich aber sagen: Ein überzeugender Schreibstil von David Stuart Davies!

> Über den Autor

Über David Stuart Davies könnte man Seiten schreiben. Insbesondere im Bereich Sherlock Holmes ist Davies ein absoluter Experte. Geboren 1946 und vor seiner Tätigkeit als Schriftsteller, Editor und Theaterautor war Davies Englischlehrer. Doch nicht nur fiktionale Bücher hat Davies geschrieben, sondern auch non-fiktionale Bücher. Darunter sind nicht nur Bücher mit Sherlock Holmes.

Laut seiner offiziellen Seite hat er 17 Romane und zahlreiche non-fiktionale Werke geschrieben. Aber laut Goodreads gibt es viel mehr zu entdecken. Außerdem ist er Mitglied in zahlreichen Gesellschaften und Clubs:

Von 1996 bis 2006 war er ebenfalls Editor für das Magazin Sherlock.

> Weitere Werke des Autors

Auch in diesem Abschnitt könnte man nun alle Werke aufzählen. Ein Buch, welches mich in den letzten Jahren doch fasziniert hat, ist Starring Sherlock Holmes: A Century of the Master Detective on Screen. Leider schwer zu bekommen (ebenso wie: Bending the Willow: Jeremy Brett as Sherlock Holmes).

Aber grundsätzlich gibt es eine Vielzahl von Sherlock-Holmes-Pastiches bei Titan Books:

Hier auf meinem Blog habe ich bereits folgende Bücher rezensiert:

Auch ein SherlockSunday war dabei: SherlockSunday #83: David Stuart’s Leidenschaft zu Sherlock Holmes.

> Inhaltliche Zusammenfassung (Spoilerfrei)

“In this fast-paced adventure, Sherlock Holmes attends a seance to unmask an impostor posing as a medium. His foe, Sebastian Melmoth is a man hell-bent on discovering a mysterious Egyptian papyrus that may hold the key to immortality. It is up to Holmes and Watson to use their deductive skills to stop him or face disaster…” (Klappentext)

The Scroll of the Dead spielt auf den Gedanken des Spiritualismus an und bezieht sich thematisch auf den Glauben der Unsterblichkeit. Die mysteriöse ägyptische Papyrusrolle soll der Schlüssel zur Unsterblichkeit sein. Eine ägyptische Rolle wird aus dem British Museum gestohlen und Holmes wird zur Hilfe gerufen. Es stellt sich heraus, das die gestohlene Rolle ein magisches Geheimnis trägt. Man braucht nur noch den “Schlüssel”, um das Geheimnis zu lüften. Und daran arbeitet Sebastian Melmoth.

Kann Sherlock Holmes “The Scroll of the Dead” entschlüsseln?

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The Scroll of the Dead beginnt mit einem Prolog, der direkt das Thema “Spiritualismus” einleitet. Holmes und Watson nehmen an einem spirituellen Meeting von Uriah Hawkshaw teil. Holmes löst mithilfe seinen Fähigkeiten den Betrug auf. An dem Meeting nimmt auch ein gewisser Sebastian Melmoth teil, der ganz fasziniert von den Fähigkeiten von Holmes ist.

Inspector Hardcastle beauftragt Sherlock Holmes und Dr. Watson sich einen Diebstahl im British Museum anzuschauen: Die Rolle of Setaph. Es wird viel Hintergrundwissen und der historische Kontext erläutert. Viele Wissenschaftler haben versucht die Rolle zu entschlüsseln, doch bis heute fehlt den Experten ein “Schlüssel”.

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Eine neue Klientin kommt zur Baker Street: Catriona Andrews, die Tochter vom berühmten Archäologen Sir Alistair Andrews. Der Vater ist jedoch verschwunden. Natürlich hat das Verschwinden etwas mit der Rolle des Todes zu tun und Sherlock Holmes und Dr. Watson machen sich auf die Reise. Sie untersuchen das Haus von Sir George Faversham und suchen Alfred’s cottage, um weitere Hinweise über das Verschwinden des Archäologen und der Rolle zu finden. Viel Action, Spannung und Verfolgungsjagden finden statt.

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Auch im weiteren Verlauf von The Scroll of the Dead nimmt die Spannungskurve nicht ab und weitere Reisen und Verfolgungsjagden finden statt. Weitere Geheimnisse rund um Sebastian Melmoth und den Archäologen werden gelüftet. Holmes und Watson müssen Grebe Isle finden und das dazugehörige Grebe House. Doch auch bei der Klientin Catriona Andrews ist nicht alles so, wie es scheint.

> Hauptfiguren

Um wenig über die Figuren selbst zu spoilern, werden hier lediglich die Hauptfiguren von The Scroll of the Dead genannt und nur deren Funktion in dem Pastiche erläutert.

Neben Sherlock Holmes und Dr. Watson haben wir Inspektor Hardcastle, der aber nur eine Nebenrolle in dem Roman spielt. Bereits am Anfang des Pastiches werden wir mit Sebastian Melmoth konfrontiert, der zunächst noch neutral auftritt, aber selbst Sherlock Holmes merkt, dass hier nicht alles so ist, wie es scheint.

Catriona Andrews – nur eine weitere Irene Adler?

Zentral für The Scroll of the Dead ist Catriona Andrews und der Vater Sir Alistair Andrews. Miss Andrews hat mich in dem Pastiche sehr überzeugt und war nicht eine langweilige Kopie von Irene Adler oder einer Mary Morstan. Catriona Andrews verkörpert die Anfänge einer feministischen Bewegung im viktorianischen Zeitalter und sich klar gegen die “Herrschaft der Männer” stellt. Insbesondere die Dialoge von Andrews mit Holmes und Watson waren sehr erfrischend.

Weitere Figuren können aufgrund von Spoilern hier nur genannt werden, spielen aber im Verlauf des Pastiches eine wichtige Rolle:

Auch am Anfang werden weitere Figuren genannt, die aber weniger wichtig im Pastiche sind.

> Schreibstil nach Conan Doyle

Ich liebe den Schreibstil von David Stuart Davies und somit auch den Schreibstil von The Scroll of the Dead. Für mich ist Davies jemand, der sehr dicht an den Schreibstil von Arthur Conan Doyle herankommt. Nicht nur, dass er viele Referenzen zum Kanon herstellt, sondern bleibt sich auch bei den Figuren von Conan Doyle treu: Holmes und die Beziehung zu Frauen; Watson als unwissender Biograph der Geschichte, Geigen, Pfeifen und die Atmosphäre in der Baker Street.

Auch die klassische Struktur nach Conan Doyle wird überzeugend von Davies kopiert: verschwundene Rolle von Setaph, eine neue Klientin in der Baker Street, einen klassischen Bösewicht, Reisen zu verschiedenen Orten und Deduktionen für neue Hinweise. Alles, was ein Sherlock-Holmes-Abenteuer ausmacht.

Um den Schreibstil nach Conan Doyle besser nachvollziehen zu können, gibt es wie immer ein paar Zitate aus dem Pastiche. Das Verhältnis von Sherlock Holmes zu Frauen ist immer wieder spannend zu lesen:

“My Mary often said that, despite all his skills as a reasoner, Holmes had a most faulty understanding of the female psyche and tended to treat all women in the same manner. Miss Andrews was proving him wrong.” (S. 61-62)

Denn Miss Andrews ist nicht die typische, viktorianische Frau. Wenn sich z.B. Watson um die Sorgen von Frauen kümmert und sie tröstet, kommt bei Miss Andrews folgendes heraus:

“‘I shall be a good little girl, Doctor, and wait patiently for your return,’ she said softly with neat sarcasm.” (S. 101)

Nach mehreren Vorfällen im Pastiche mit neuen Enthüllungen hat Sherlock Holmes dann endgültig genug von Frauen und bringt seinen Protest in folgende Worte:

“I will never understand women, Watson. They act without reason or logic. At all times their emotions, passionate and unthinking, rule their behaviour.” (S. 109)

Auch der Verweis zu alternativen Namen aus dem Kanon ist immer wieder herrlich zu lesen. So stellt z.B. Sherlock Holmes direkt am Anfang des spirituellen Treffens seinen Partner folgendermaßen vor:

“This is my manservant, Hamish.” (S. 13)

Eine klare Anspielung über den Zweitnamen von John H. Watson. Watson wird aber getreu nach dem Kanon auch mit Boswell angesprochen (“I am lost without my Boswell”, S. 99)

Die Rücksichtslosigkeit von Holmes muss eigentlich in einem Pastiche vertreten sein. In The Scroll of the Dead wird dies folgendermaßen von Watson beschrieben:

“It was typical of Sherlock Holmes to place considerations of the investigation before the welfare of a sick man.” (S. 140)

Für mich stellt The Scroll of the Dead ein klassisches Sherlock-Holmes-Abenteuer dar. Ohne erneut den Inhalt noch weiter zu spoilern, haben mir die Verfolgungsjagden zwischen Holmes/Watson und Melmoth/Felshaw gefallen und erzeugten Tempo, Action und Spannung. Ein nächtlicher Einbruch von Holmes und Watson verstärkte diese Spannung.

Wie bereits oben erwähnt, hat mir die Figur von Catriona Andrews unglaublich gut gefallen. Eine klare Figurenentwicklung ist ebenfalls erkennbar und die Beziehung zu dem Vater und Archäologen Sir Alistair Andrews glaubwürdig.

Beim grundsätzlichen Szenario rund um die Rolle des Todes war ich zunächst skeptisch. Hoffentlich gibt es keine Reise nach Ägypten. Hoffentlich gibt es keine über-spirituellen, unnatürlichen Elemente oder Unsterblichkeit in dem Pastiche. Zum Glück gab es das nicht in The Scroll of the Dead.

Zuletzt möchte ich noch den Epilogue hervorheben. Man denkt immer, dass hier die letzten Worte langsam dahinplätschern, aber nicht in The Scroll of the Dead! Hier kommt es noch zu einem letzten, spannenden Showdown!

Auch wenn das Grundthema der Unsterblichkeit und der Spiritualismus im Prolog eingeführt werden, so wird das Thema (glücklicherweise?) nicht weiter verfolgt. Natürlich schwingt in der Entschlüsselung der Rolle des Todes dieser Gedanke der Unsterblichkeit immer mit, wird aber (leider?) nicht weiter verfolgt. Das Bösewicht-Team Melmoth/Felshaw bleibt leider auch eher einfältig und hat wenig Figurenentwicklung. Melmoth ist halt der Bösewicht, ähnlich wie es Moriarty in The Final Problem ist. Wobei Moriarty aufgrund des Reichenbach Falls eine andere Note bekommt.

Auch wenn es gute Deduktionen von Sherlock Holmes gibt (z.B. in Alfred’s Cottage) fehlte mir hier auch noch typischere Deduktionen, die sich nicht nur auf die Analyse von Kleidung beziehen. Weniger sollte immer mehr sein, aber eine überzeugende Deduktion, die mir in Erinnerung bleibt, war leider nicht dabei.

The Scroll of the Dead ist eine klare Kaufempfehlung und ist ein Pastiche von Qualität. David Stuart Davies’ Pastiche ist ein klassischer Sherlock-Holmes-Roman, der einen sehr überzeugenden Schreibstil und eine interessante Klientin hat. Die spannenden Verfolgungsjagden, nächtliche Einbrüche und die mysteriöse Rolle des Todes waren überzeugend.

> Kurzversion

+ Catriona Andrews als Klientin

+ Tempo und Spannung bei Verfolgungsjagden

+ überzeugender Schreibstil getreu nach Conan Doyle

Figurenentwicklung Melmoth und Felshaw ein bisschen dünn

Thema der Unsterblichkeit und Spiritualismus weniger entwickelt im Laufe des Romans

> Bewertung

   

(4 von 5)

Cover dient nur zur Ansicht und wurde nicht verändert.

Weitere Reviews findest du hier.

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